Von Crowleys schrecklichen Schriften

Es ist schon irgendwie reichlich zwerch, und es scheint sich nicht groß etwas geändert zu haben, seit ich mich über 15 Jahre lang kaum noch mit Crowleys Schriften befasst habe.

Leser Dude schrieb:

“Von Crowley’s satanistischen Schriften, und der entsprechenden fahlen Ideologie, rate ich eindringlich ab.”

Wie kommt, fragte ich mich wieder einmal, denn dies Schema “bloß nicht lesen!” ist im Zusammenhang altbekannt, gar noch ein Freigeist wie der (ich bezeichne ihn ob seiner vielen Beiträge hier mal so) darauf, von einer Lektüre “eindringlich” abzuraten?

Normalerweise rät man von einer Lektüre ab, wenn man ein schlechtes Buch z.B. der Uni halber lesen (wenigstens querlesen) musste, diese sinnlose Qual und Zeitverschwendung einem anderen ersparen will.

Ein solcher Fall liegt hier aber offenkundig nicht vor. Und es war ja kein katholischer Priester, der hier so deutlich vom Lesen abriet.

Zunächst fällt die merkwürdige Art der Anmaßung, gepaart mit Fürsorglichkeit auf. Anmaßung deshalb, weil der dies äußert normalerweise selber doch wenigstens einiges von jenen “satanistischen Schriften” gelesen haben sollte, um dergestalt von ihnen abraten zu können, meint, dass es anderen aber gar nicht guttun könne, es ihm dergestalt gleichzutun.

Crowley ist krass, keine Frage.

Hält man nun aber seine Schriften und die damit transportierte Ideologie für so gefährlich, wie offenkundig Leser Dude, so wäre dies doch gerade erst recht ein Grund, sich damit eingehend zu befassen.

Dude (und viele andere, seit Jahrzehnten, sonst griffe ich das hier nicht auf) scheint Crowleys Büchern eine derartige Wirkmächtigkeit, ja Magie zuzuweisen, wie der dies sich ja nur gewünscht haben könnte: und hätte er, wie eben auch so viele andere, die ansonsten nicht auf den Kopf gefallen, doch daran denken müssen, dass nichts mehr zur Lektüre verlocken möchte, denn eindringlich davon abzuraten. (Ich setze den Fall, dass er dies jetzt nicht als absichtlichen Trick anwandte.)

Er hätte, seinem Zwecke viel dienlicher, doch einfach sagen können: “Crowleys Geschreibsel ist ein jämmerlich konkoktierter, abstruser satanistischer Mist. Wer’s unbedingt lesen will, bitte; ich hab’s mir mal teilweise reingezogen, es lohnt sich wahrlich nicht.”

Wenn ich nur daran denke, wie ich zur Philosophie kam.

Lange mehr den Naturwissenschaften hold als der Philologie, beschloss ich eines Tags, jetzt auch mal die Philosophen aufzustöbern, ich erkannte eine Art Bildungslücke, wollte wenigstens ein bisschen was von diesen seltsamen Typen wissen.

Ich ging ganz logisch vor, wollte ja nicht all deren dicke Schinken verkonsumieren. Also hörte ich mich um, wer der schlimmste von allen sei, der verruchteste, verrufenste. Man antwortete mir fast unisono, dass es darüber wenig Dissens gebe, Nietzsche sei anerkanntermaßen der schlimmste Finger von allen.

Klar, dass ich, nachdem ich auch noch in Erfahrung gebracht, welches denn das schlimmste Buch dieses also Merkwürdigen sei, daher gleich, denn auch da schien es keine großen Zweifel zu geben, mit “Also sprach Zarathustra” anfing. (Das allerdings, ich schweife nur ein wenig ab, schlug mich erstmal um. So etwas, eine derartige Düpierung meines intellektuellen Selbstbewussseins, hatte ich noch nie erlebt. Praktisch alle Sätze in einfachem Deutsch gehalten, las ich in das Buch hinein und merkte alsbald, dass ich so gut wie nichts von dem verstand, was dorten stund. Merkte aber gleichzeitig, dass das nicht am dummen Autor lag, der nichtssagend herumschwurbelte, dass da sehr wohl etwas, wahrscheinlich sogar sehr Wichtiges, zu vernehmen war, lediglich ich zu unreif, zu blöd, etwas zu kapieren. Das streckte mich ziemlich nieder. Ich wusste, dass ich mich mit dieser schwersten persönlichen Niederlage nie abfinden, das Buch zu mir zurückkehren werde, legte es aber erstmal, zwischen wütend und frustriert, beiseite. Zwei Jahre später, nach der “Geburt der Tragödie” und zwei oder drei anderen Werken Nietzsches, lief es mir wieder zu, und diesmal – ich schien zwischenzeitlich dazugelernt zu haben – fuhr es in mich hinein, voller Lichtblitze und kristallklarer Bergseen. Ein ums andere Kapitel fasste ich mich ans Hirn, gewahrte neue Welten über noch mehr neuen Welten.)

Zurück zu Crowley. Ich kannte einen europaweit berüchtigten Magier, mit dessen und meiner Frau wir eines Abends zusammensaßen, einen echten Crowley-Spezialisten.

Indem auch Crowley und dessen Werke ein Thema waren, auch die lieben Engländer, meinte der (ein hervorragender Phlilog und Englischkönner) an einer Stelle lakonisch über letztere: “Die haben ja noch nicht einmal ihren Crowley verkraftet.”

So trocken sah der das.

Wie es der Zufall, den es bekanntlich nicht gibt, will, kam gerade auf dem Strang zu “Von der Bibel, dem Koran und Crowleys Liber Al” noch ein Kommentar von Leser Dude zur Sache herein, wo er (im ersten Satz mich zitierend) in bezug auf von Crowley “inspirierte” Satanisten bzw. Kinderschänder u. a. schreibt:

“Man sollte ganz im Gegenteil mal ebenjene sprachwissenschaftlichen Analysen durchführen, die ich gefordert habe.”

Nun gut, Du magst recht haben damit. Nur hast Du ja an obigem Paradebeispiel (love under will) eindrücklich sehen dürfen, in welch fatale Verblendungen, und in welch dunkle Irrgärten, seine Schriften allzu wenig bewusste Individuen leiten können.

Egal wer das also macht, so sich einer darauf einlässt, er sollte sehr genau wissen, dass man mit glühenden Kohlen nur sehr vorsichtig spielen sollte.’

Er hat recht. Ganz auf doof sollte man sich nicht auf Aleister Crowleys Class-A-Texte einlassen.

Umso wichtiger wäre die von mir geforderte Analyse.

Leider kann ich nicht alles allein gleichzeitig.

Wer sich aber ernsthaft daran macht, kann mit meiner Unterstützung rechnen.

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