Keine Dulcinea bitte!

Grade sah ich mich (nur um zu sehen, ob ich so das Haus verlassen könne, sonst mache ich das aus guten Gründen, außer beim Rasieren, nur sehr selten) im Spiegel an und dachte spontan: ‘Mein Gott, guck dir den an, mindestens eine Rasur und etwas mehr Contenance könnte nicht schaden.’

Wie bringt es einer, der doch am Abend vorher keine zwei Flaschen Absinth getrunken, fertig, noch am Nachmittage so auszusehen?  (Ich hätte wirklich nicht – bin ich ein Weib? – in diesen blöden Spiegel sehen sollen.)

Zuerst kam ich auf den Gedanken, dass Denken die Schönheit (selbst die s e h r relative) nicht befördere, verwarf diesen dann aber, zuwenigst aus Trutz.

Den Spiegel verantwortlich zu machen, verwarf ich noch schneller.

Sodann kam ich auf die Idee, dass es mir der Lust fehle.

Das erklärte die Sache aber auch nicht. Es mag mir zwar nicht selten der Lust fehlen, zu spülen, putzen und aufzuräumen, grundsätzlich aber leide ich nicht an Lustfehl.

Da ich von gestern auf heute kaum zehen Jahre älter geworden sein kann, mir in dieser Zeitspanne keine üblere als die übliche Unbill zuteil ward, kann es fast nur noch daran liegen, dass ich (abgesehen von den zu stutzenden Barthaaren) zu schlecht, zu pessimistisch hinschaute.

Keine allzuüblen Träume, Mephistopheles, dessen ich mich ja gerade, den Faust erklärend, wieder mehr beschäftige, als ihm wohl lieb, traute sich erst recht nicht an mich heran, sich noch mehr meines Spottes einzuhandeln, womit normalerweise nur noch eine andere vernünftige Erklärung bliebe, nämlich jene, dass ich unglücklich (oder überhaupt) verliebt sei.

Davon weiß ich aber auch nichts.

Bin ich jetzt schon in eine verliebt, ohne dass ich das mitbekommen hätte?

Bei näherer Betrachtung wird man wohl eingestehen müssen, dass es selbst derlei idiotisch-tragische Fälle wohl schon gab.

Hülfe es mir jetzt, herauszufinden, wie sie heiße?

Meist schadet es der Genesung, wenigstens dem Arzte, der ja auch von etwas leben will, nicht, zu wissen, woran der Patient leidet. Sollte ich aber tatsächlich verliebt sein, so wäre ich mir da nicht so sicher.

Wäre es nämlich so, so wäre es sehr wahrscheinlich besser, ich vergäße es einfach, was weitaus schwerer fiele, wüsste ich, in welche konkrete Dulcinea.

Also gut: Ich weiß es nicht und will es auch lieber nicht wissen.

Alles war nur eine momentane psychische Belastungsstörung, ich gehe nachher zum Lidl, rasiert, wie als ob nie etwas gewesen wäre.

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2 Antworten zu “Keine Dulcinea bitte!”

  1. Zwergelstern7 sagt:

    Grüße an dich Herr Magnus Göller.
    Schon einmal daran gedacht deine Geschichten/Zeilen zu Vertonen?
    Dein geschriebenes begeistert Mich wirklich.

    LG,

    Friedhelm/Friedberg

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Zwergelstern7

    Ja, an Vertonung habe ich durchaus schon gedacht. Wobei die obige Miniatur z.B. natürlich noch in Verse zu packen wäre (oder nur als ein ganz schräger Blues zu singen).

    Allein, ich bin kein Tonsetzer, zwar hinreichend musikalisch, zu einer Melodie einen passenden Text zu verfassen, so dass ich mich an vorhandene Stücke dranmachen könnte.

    Viel lieber aber arbeitete ich mit einem Komponisten zusammen, so dass Neues auch tonal in neuem Gewande käme.

    Wenn Du mir jemanden weißt, Du es selbst kannst, ich freute mich sehr über einen Kontakt.

    Dank auch für das Lob.

    LG

    Magnus

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