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Handyoten

Montag, 29. Juli 2013

Vorhin kommentierte ich auf Jermains Seite

http://ultimativefreiheitonline.wordpress.com/2013/07/19/das-betreten-meiner-wohnung-mit-einem-aktiven-mobilfunktelefon-ist-ab-heute-untersagt/

wie unten nachzitiert:

“Diese Mobiltelefone sind wirklich eine Pest. Ich weiß nicht, wie schädlich die ausgesendete Strahlung ist, dass sie die Leute massenweise zum Spinnen bringen aber ist glasklar. Neulich erlebte ein Kumpel von mir, wie ein junges Mädchen (vielleicht siebzehn), daddelnd, Vollkante gegen einen Laternenpfahl lief, kurz vor der einfahrenden Trambahn. Ein Schüler erzählte mir, als ich ihm das berichtete, dass es inzwischen eine App gebe, die einem auf dem Display vom Idiotenteil per Vorwärtskamera beim Laufen zu den anderen Sachen den Film vom Voraus einblendet, also, dass Aufschauen, nicht überfahren zu werden, nicht mehr nötig. Was natürlich eine Illusion ist. Wahrscheinlich sterben in Deutschland jährlich mehr Menschen an Mobiltelefonunfällen als in zehn Jahren an Terroranschlägen. Wie viele Kinder gleich gar nicht gezeugt werden, weil die möglichen Eltern es lieber mit ihren Handys treiben, das dürfte Legion sein. Stürbe man an Verblödung schnell, was leider meist nicht passiert, so gingen die Opferzahlen in die Millionen.”

Was macht man mit Leuten, die nicht einmal mehr die Straße vernünftig entlanggehen? Derartigen Selbst- und Fremdgefährdern?

In meinem Stammwirtshause immerhin geht jeder auf die Gass’, wenn ein Anruf reinkommt oder er einen absetzen will.

Das ist schonmal ein Anfang.

Besser noch ist das, was Jermain ansetzt: Wer reinwill, muss ausmachen.

So ist es schon in der Oper und in Schulen.

Wir brauchen immer mehr handyfreie Zonen. Eine Graswurzelbewegung der freiwillig handyfreien Zonen.

Nicht nur in Krankenhäusern, wo direkt Leben gefährdet werden kann.

Gerade auch in Wirtshäusern, wo verständige Menschen verkehren, sollte Ausschalten Komment sein.

Und, eben, wie Jermain es anführt, in privaten Wohnungen.

Ich überlege mir, das auch zu machen. Wobei ich nicht weiß, wie meine halbwüchsige Schülerkundschaft – es ist eben meine auch eine Geschäftswohnung – darauf reagieren wird, ob ich da Schlaganfälle und Kündigungen in solcher Reihe provoziere, wie ich mir das nicht leisten kann.

Bei uns ist jedenfalls die ganze dreiköpfige Familie (die Kinder wissen schon lange, was ein Handy ist) handyfrei. Jedenfalls so gut wie. Nur in seltenen Notfällen grubbele ich mir irgendsoein Teil heraus (ist schon lange nicht mehr passiert).

Ich hatte einen Elektroingenieur als Englischschüler, das ist schon bald zehn Jahre her, der als deutscher Vertriebschef eines amerikanischen Konzerns sehr viel mit dem Handy telefonieren musste. Es ging einfach nicht anders. Den, ein totaler Nichtesoteriker, hätten Sie mal fluchen hören sollen.

“Kriegst einen an der Klatsche. Ab einer Stunde am Tag eiert dir die Rübe. Das erste, was ich nach diesem Job (er ging schon aufs Rentenalter zu) mache, ist dieses verdammte Scheißhandy in den Müll schmeißen. Erste Amtshandlung.”

Im Auto installierte sich der Ingenieur sein Handy stets im Kofferraum, hatte sich eine Leitung zur Sprechanlage nach vorne ins Cockpit gelegt, um das Scheißding nicht nur nicht am Ohr haben zu müssen, sondern nicht einmal in sechzig oder achtzig Zentimetern Entfernung. Diesem wackeren Manne musste keiner erklären, dass die Strahlungsintensität mit dem Quadrate der Entfernung abnimmt, also jeder Millimeter zählt.

Wenn ich einmal einen nichtparanoiden Menschen kennengelernt habe, so war es dieser, der sich über die Hauptschule und Spätfachabi und Studium bis in Führungspositionen der Industrie hinaufgekämpft hatte. Er war auch fest davon überzeugt, dass er nicht übermäßig empfindlich sei, auch bezüglich dieser Sache nicht, dass die anderen Idioten nur nicht wüssten bzw. merkten, was sie sich antäten.

Man bedenke, dass man, wenn man sich so ein Scheißding ans Ohr hängt, den Emitter gerade mal wenige Zentimeter vom Hirn entfernt hält. Härter wäre es nur noch, steckte er mittendrin. Das Hirn als eine Art Dockingstation fürs Handy. Apart. Da strömen die Hirnströme nur noch so, wie die Sau.

Und: Wieso eigentlich soll ein Privatmensch “immer erreichbar” sein?

Was für einen Wahn haben sich die Leute denn da reingebraten?

Bin ich denn die Feuerwehr oder die Polizei? Der August von der Seppeline?

“Smart”, was wirklich vom Worte Schmerz abstammt, dann aber (nicht im Verb!) adjektivisch einen bemerkenswerten Bedeutungswandel hin zu “clever” (Kleber), geschickt, wief, intelligent genommen hat, kehrt beim Smartphone zu seiner Urbedeutung zurück.

Das Smartphone ist der Turbo für die Rast- und Ruhelosigkeit, der, “multiple tasking” ist “cool”,  fürs Hirnabsterben im Sauseschritt sorgt.

Man reflektiert nicht mehr, man krattelt und lallt und daddelt.

Das Gemeine daran ist, dass die entstehenden Schmerzen irgendwie, auch erst langfristig, eintreten, überdies nicht dem Schmerzphon zugeordnet werden, denn das kann ja nicht Verursacher sein.

Je mehr es also wehtut, um desto mehr werden über das Schmerzphon Leute angerufen werden und Daten gesucht und Entspannung, die Suchtkrankheit nimmt nur noch zu. Und die Strahlendosis.

Da sollen die Leute lieber mal, wie Jermain, ein Zigarettchen rauchen, oder auch einen Joint, mal ein bisschen denken, statt sich mit dieser perfidesten aller privat verfügbaren und verbreiteten Elektrokasterei noch die letzte intakte Leitung aus dem Oberstübchen zu blasen.