Konstantin entspeichelt sich

Konstantin fuhr zwar scheinbar noch zum Speichel, in Wirklichkeit aber kroch er.

Eine gute Miene zu dem dort dargebotenen Spiele zu machen, jetzt schon seit Wochen, das machte ihn kirre.

Er sahe und hörte, wie das ganze Buchstabengeschmeiß von Reuters und den anderen Schwindelagenturen hereinkam, wie in einer Billigstwurstfabrik nur gröbst weiterverarbeitet der Kundschaft unter großem Getöse in die Schlünder gestopft ward.

Er schämte sich, auch noch ein Rädchen in diesem Lugsgetriebe zu sein, dass ihm noch nicht ein rechter, gescheiter Possen eingefallen, geschweige denn gelungen.

Er fühlte sich auf die übelstdenkbare Weise erhamburgert. Das Geschnatter der Tippsen und noch schlimmer der Redakteurinnen, die hießen jedenfalls so, an gefühlter Selbstwichtigkeit und Anmaßung nicht einmal von Pavianen zu übertreffen, raubte ihm den letzten Nerv.

Noch schlimmer die Redakteure. Allesamt entweder schwul oder hinterschleimerte, arglistige Bündler und fiese Eckensteher. Dante hätte, so dachte er bei sich, hier zum Thema Höllen noch etwas lernen können.

Redlichkeit und Anstand waren hier zwei völlig unbekannte Fremdwörter. Eine einzige korrupte Propagandamaschine. Eine Poporogandamaschine.

Dazu die stechenden Blicke Maikes. Er fühlte sich hundeelend.

Das mit dem Channeling schmank er sich ab. Es musste irgendeine vernünftige Eskalation her, wenigstens ein Rausschmiss hochkant.

So beschloss er kurzerhand, zum Chefredakteur zu gehen, sich dort unfugshalber einfach auf seine guten alten Instinkte zu verlassen, egal, wie dann der Ausgang.

Schließlich wurde er vorgelassen. Dr. Worpswede wirkte recht gelassen, ein leichtes zynisches Lächeln spielte um seine Lefzen.

“Nun, Herr Eulenspiegel, was verschafft mir die Ehre?”, frug der Schabrack.

“Sie sollten mich zum Ressortchef machen”, versetzte Konstantin ohne Umschweife.

Worpswede guckte erst etwas überrascht, begann dann unvermittelt zu gackern alswie ein altes, räudiges Perlhuhn.

“Was, häha, was sollte ich? Sind Sie nicht ganz bei Trost?”

“Naja, ich sage es mal ganz direkt. Nur so haben Sie noch ein Chance, Ihren Arsch zu retten, mit Verlaub, Chef”, setzte Konstantin ungerührt nach.

“Sie haben wohl nicht nur ein Rad ab, Eulenspiegel, verlassen Sie sofort mein Büro, holen Sie sich Ihre Papiere”, konterte der andere scheinbar gelassen, “und zwar schnell, sonst rufe ich den Sicherheitsdienst.”

“Gut”, meinte Konstantin wirklich gelassen, “jeder hat Chancen im Leben, mancher verpasst sie. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Herr Doktor. Gute Wünsche werden Sie noch brauchen. Gehaben Sie sich wohl.” Und wand sich zur Tür.

Justament, indem sich Konstantins Hand um die Klinke schließen wollte, erscholl es von hinten: “Halt! Bleiben Sie noch einen Moment!”

Konstantin drehte sich wie als ob sehr verwundert um und meinte, gerunzelter Stirn: “Was sollte ich Ihnen noch, ich denke, ich bin entlassen? Wozu sollte ich mich Ihnen noch mitteilen?”

Worpswede kochte. Aber er nahm sich zusammen. “Setzen Sie sich. Setzen Sie sich.”

Konstantin zögerte einen Moment, setzte sich dann aber, schlug das rechte Bein über das linke, ansonsten ganz entspannt.

“Reden Sie!”

Konstantin lächelte. “Wozu? Ich bin doch entlassen.”

“REDEN Sie!!!”, donnerte der Doktor.

“Also gut. Dann aber Abfindung. Papier her, Unterschrift, oder ich gehe”, sagte Konstantin also kühle wie leise.

“Und dass auch das klar ist: Ich werde keine Namen nennen.”

“Wer steckt dahinter?”, külchte Worpswede.

“Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Ihnen lediglich informativ helfen werde, aber keine Namen nennen. Dabei bleibt es. Wo ist die Abfindungsvereinbarung?”

Jetzt wurde der Doktor wieder Profi. Es war ernst.

“Wie viel wollen Sie?”

Konstantin hätte gern richtig hingelangt, besann sich aber eines Besseren.

“Zwanzigtausend. Das ist zwar fast geschenkt, aber ich will raus aus diesem Puff. Ohne weiteren Schaden zu nehmen. Ich komme in einer Viertelstunde wieder. Wenn der Wisch auf dem Tisch liegt, packe ich aus. Ansonsten wünsche ich Ihnen noch viel Glück.”

Stand auf und verließ Worpswedes Büro.

Eine Viertelstunde später lag der Wisch auf dem Tisch, der Doktor hatte seine Krawatte etwas gelockert und offensichtlich einen guten doppelten Kognak eingegeust.

“Also, jetzt, Klartext!”, bellte er, indem Konstantin den Abfindungsvertrag einsteckte.

“Es läuft eine Verschwörung gegen Sie”, meinte er trocken.

“Man kolportiert, Sie seien verrückt, ja besessen.”

“Was?”

“Die Leute erzählen sich, und viele glauben das, Sie ließen sich sowohl Hefttitel- als auch Themenauswahl channeln. Sie glaubten an eine diskarnierte Wesenheit namens Karb, von der Sie sich bedingungslos diktieren ließen. Daher die rückläufigen Verkäufe, bei Abos wie am Kiosk. Der Chef sei nicht mehr ganz hiesig, keine publizistische Vernunft mehr dringe an sein Ohr.”

“Wie viele sind es?”

“Ich weiß nicht genau, man spricht ja nicht so offen darüber. Ich habe auch keine Ahnung, woher das Gerücht rührt. Aber es geht herum, das ist sicher.”

Worpswede sann eine Weile.

“Und wenn Sie bleiben, mir gegen das Gesindel helfen, wie wäre das, Herr Eulenspiegel?”

“Tut mir leid, Herr Doktor”, sagte Konstantin nach einer kurzen Pause ungerührt, “da müssen Sie schon selber durch. Wer sich Irre züchtet, der hat dann halt irgendwann auch welche.”

Kopfschüttelnd stand er auf, machte sich zur Türe, ehe der andere noch etwas anzusetzen wusste, rüber an seinen Platz, packte schnelle sein Bündel, auf zur Pforte, raus an die frische Luft.

Er holte sich am Imbiss ein Jeverchen, setzte sich auf die Bank an der Außenalster, da alles begonnen hatte, nahm einen tiefen Zug, drehte sich eine, pfiff erstmal ein Liedchen.

https://unzensiert.zeitgeist-online.de/2013/08/07/konstantin-eulenspiegels-bisherige-fahrnisse/

 

— Anzeigen —

Tags:

4 Antworten zu “Konstantin entspeichelt sich”

  1. Dude sagt:

    Oh wie sehr ich Konstantin nachfühlen kann… Ich weiss, dass Du das verstehst.

    Von seiner ehernen Gelassenheit sollte ich mir jedoch mal wieder ein Stückchen abschneiden..

    Ps. Du hast Antwort.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Konstantin ist keineswegs so ehern gelassen. Er geht nur, letztlich unbeirrt, seinen Weg.

    Mir ist er auch ein Stück Vorbild. Nicht nur deshalb berichte ich von seinen Fährnissen so gern.

  3. Dude sagt:

    Oh doch, das ist er. Und sonst ist Deine Geschichte fehlleitend geschrieben! *lol*
    Du weisst, dass der Dude immer sein Ding durchzieht, aber an der Gelassenheit haperts aktuell zuweilen ziemlich arg…

    Ps. Hab mal gecheckt. Siehe Epost. Melde mich, sobald ich mehr weiss.

  4. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Naja. Ich weiß von ganz schlimmen Dingen, im Sinne persönlicher Erfahrung, die Konstantin noch nicht kennt. Die ich ihn wohl gar nicht kennenlernen lassen werde.

    Da bedürfte es einer neuen, anderen literarischen Figur.

    Jenseits von Eulenspiegel.

    Die erschaffe ich erst, vielleicht, wenn die Zeit dafür reif.

Eine Antwort hinterlassen