Panne mit Russen in Südschwitz

Verdammt. Kaum hatten Boris und Sergej und ich einen guten Zug am Blonden getan, da verreckte, auf halbem Wege zwischen Freiberg und Buschhhausen, ein Reifen.

Es geht zwar die Kunde, dass der Russe, wenn er keinen Sprit mehr hat, einfach in den Tank pinkelt.

Ich traue Russen natürlich prinzipiell auch zu, dass sie ebensoeinfach in einen Reifen pinkeln, um ihn wieder flottzumachen. Immerhin haben die in nur etwa zehnfacher Übermacht, zusammen mit Engländern, die ja bekanntlich was von Krieg verstehen, Amis, Franzen, Ichweißnichtwemnoch den letzten Krieg gegen uns, zwar mühselig, am Ende aber doch, unzweifelhaft gewonnen.

Es war zum Glücke nicht mein Wagen, ich stellte mich also einfach dumm, sog weiter an meinem Biere.

Das verdammte Ersatzrad erzeigte sich als nicht aufgepumpt, hiemit ebenso nutzlos wie der Platten, und eine Luftpumpe war nicht an Bord. Nichtmal Reinpinkeln ward noch versucht. Bei Reifen scheint das nicht zu funktionieren. (Spezialausbildung, zweifellos, bei beiden. Sie kannten offenkundig ihre Grenzen.)

Zum Glück kann ich kaum Russisch. Damit auch nicht die Flüche übersetzen, die jetzt fielen. Es heißt, dass der Russe fast so schlimm zu fluchen wisse wie der Ungar. Also ist das hier wohl eher gut so.

Ich wusste natürlich, dass es nicht über zehn Minuten dauern werde, bis dass einer der Lastkraftwägen vorbeikommen werde, in dem ich mit Sicherheit eine Weiterfahrt nach Buschhausen fände. Einfach nur winkend, den Fahrer wohl schon kennend, und wenn nicht, so leicht als der Magnus ausgewiesen.

Da ich gegen Boris und Sergej zusammen fraglos keine Chance gehabt hätte, sowieso nicht auf Schlägereien mit wütenden Russen oder sonstwem ausbin, verkniff ich mir mein Grinsen so gut als möglich.

Nach drei oder vier Minuten kam der LKW, den ich auf gut südschwitzerisch zum Anhalten veranlasste. In der Wüste hilft man sich.

Und, tatsächlich, wie es das Schicksal wollte, Egon, dessen Sohn ich eben erst durchs Abi gebracht hatte, saß am Steuer.

“Magnus, mit was für Verlierern bist du denn heute unterwegs? Soll ich die etwa auch mitnehmen?”

Boris schien auf diese Ansage hin kurz davor zu sein, seine Makarow oder sonst eine -off herauszuholen, besann sich aber. Auch Russen können, zumindest, wenn es sein muss, sehr vernünftig sein.

“Ach, Egon, jetzt mach’ kein sonen Geschieß, nimm uns halt einfach mit, und lass’ die ihren Gammelkarren ein andermal aufsammeln.”

“Na gut”, meinte Egon, “die zwei Gestalten da sehen mir zwar nicht sehr vertrauenswürdig aus, aber wenn es Deine Kumpels sind, dann haben sie natürlich auch Platz auf der Pritsche. Nicht aber, dass sie dort anfangen, anständige Südschwitzerinnen anzufummeln, oder sowas. Kannst Du mir das garantieren?”

An Sergejs Stirne platzte schier eine Ader, aber er hielt sich zurück.

“Egon, die Zwei da stehen sozusagen unter meinem Schutz. Eben haben sie mir noch ein kühles Blondes ausgegeben. Sie wirken zwar etwas merkwürdig, waren aber ansonsten bislang habbar.”

Egon runzelte zwar ein wenig die Stirn, hieß uns dann aber mit einem Winke alle aufsitzen.

Nachdem wir zwischen den üblichen Kisten mit Baumaterial und den anderen Mitreisenden (es war keiner der Nachtfeier-LKWs) fünf Minuten schweigend gesessen waren, meinte Boris zu mir: “Warum habe ich dich nicht einfach umgebracht?”

“Na, lieber Boris, das mag wohl daran liegen, dass du das hier in Südschwitz selber bestimmt nicht lange überlebt hättest.”

“Magnus hat recht”, meinte Sergej schließlich versonnen, und wir tranken zusammen unser Bier aus.

So rumpelte die Kiste bis nach Buschhausen, und ich musste doch mit etwas Neid feststellen, wie in dieser restlichen halben Stunde einige der Mitfahrerinnen recht freundliche Blicke auf Boris und Sergej warfen anstatt auf mich. Dies gewahrend, ging es ihnen aber immerhin wieder sichtlich besser. Den Wagen hatten sie ja nicht aus eigener Tasche bezahlt.

“So, Jungs, ich sage euch jetzt mal eins. Freiberg ist eins. Buschhausen ist was anderes. Dort werdet ihr lernen, euch zu benehmen. Mir ist vollkommen klar (die dubiose schwere Kiste und das restliche Gepäck war anstandslos mitgenommen worden), dass ihr beide so ungefähr den 23. Dan in Karate habt, wahrscheinlich Bruce Lee schon in der Haschpfeife geraucht, da hinten drinne womöglich Ichweißnichtwas. Trotzdem rate ich euch an, euch in Buschhausen zu benehmen. Bis Stalinorgel und Kalaschnikow und Abtschüssulski bei euch sind, seid ihr nämlich im Zweifelsfalle trotzdem längst alle. Habt ihr das klar verstanden?”

Sie nickten nur. Aber das war immerhin was. Russen sind, mal abgesehen von ihrer grundsätzlichen Liebenswürdigkeit, zum Glück in der Regel überdies nicht doof.

Ich war jetzt fast froh über die Reifenpanne. Jetzt hatte ich ihnen viel leichter klarmachen können, dass man mit den Hintlingen lieber nicht übers Maß anbindet. Nichtmal als Russe.

Dann, schon so gut in Fahrt, drückte ich ihnen noch rein, dass Mr. Fong ein durchaus verträglicher Zeitgenosse sei, wofern man ihn richtig zu nehmen wisse, und dass ich zumal sehr wohlwollend registriert hätte, was für eine Sorgfalt er auf ein gepflegtes Deutsch lege, also Respekt vor der hiesigen Kultur.

Das reichte ihnen dann. Wir kamen an, und ich verschaffte Sergej und Boris erstmal Quartier.

Danach ging es in die Blonde Gazelle. Wohin auch sonst. Es war ja noch immer weit vor Mitternacht.

Davon, was sich dort dann zutrug, wird im nächsten Kapitel erzählt.

 

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