Südschwitz: Lavieren mit Russen und Chines’

Nach der eher unergiebigen Begegnung mit Hartholtz begab ich mich in Didis Café, denn dort gibt es nicht nur einen hervorragenden Kaffee, sondern führt er auch, so zeitnah wie möglich, echte nationale und internationale Zeitungen zum Schmökern, und bietet überdies ein kleines Nebenzimmer, in dem Gäste auf sechs Plätzen, niemanden störend, im Weltnetz wühlen können.

An die gewünschte Ruhe und Entspannung und möglicherweise etwas Recherche war aber zunächst nicht zu denken; denn Boris und Sergej saßen gleich am Eingang an einem kleinen Tisch, zum Biere Salzmandeln und Pistazien mampfend und mir erstmal kein Entkommen gewährend.

“Magnus! Alter Freind! Komm, wir missen uns noch einmal bei dir bedanken!”, rief Sergej, dass man es im ganzen Lokal hörte, und ich sah mich wohl oder übel errusst, mich zu setzen.

“Wofür wolltet ihr euch noch bedanken? Ihr habt mir zwei Bier ausgegeben, bloß dafür, dass ich euch in eine Kneipe begleitet habe. Da kann man schlechter davonkommen.”

Ich betrachtete derweil bei Tageslicht die keineswegs schwer muskelbeladenen, umso sehnig-stähleneren Leiber der beiden, die jedem Hintling Ehre gemacht hätten.

“Magnus, wir wirden gerne ganz Sidschwitz kennenlernen. Man hat uns erzählt, dass du hier fast jeden kennst. Auch bei den – wie sagt man noch? – Hintlingen.” Also kam Boris gleich zur Sache.

“Nun, ich bin derzeit ziemlich beschäftigt, habe also keine Zeit, mit euch herumzufahren. Aber ich kann euch natürlich zwei oder drei gute Adressen geben.”

“Gucke mal, Sergej, der arme Magnus muss immer arbeiten. Was fir ein Jammer. Wahrscheinlich bereitet er jetzt gerade nebenher Unterricht in Kopf vor.”

“Ja, Magnus sieht ein bisschen erholungsbedirftig aus. Warum kommst du nicht heite Abend mit uns nach Buschhausen? Wir kennen den Ort noch nicht, haben Auto gemietet, du könntest mitfahren und uns mit nach Goldene Gazelle nehmen.”

Aha. Die gingen ja ran. Wir mussten vielleicht umdisponieren. “Äh, ihr mögt ja recht haben, aber ich habe heute Abend um acht noch einen Termin hier, könnte also sicher frühestens um Neun mitkommen. Und auch das unter Vorbehalt.”

“Magnus hat wohl Termin mit seinem Olli. In Ordnung. Wir holen dich um nein bei deinem Freind ab.”

“Gut, wenn was dazwischen kommt, kann ich aber nichts machen.”

“Kein Problem”, meinte Boris.

Die Bedienung kam und wollte aufnehmen, was ein Segen war. Ich erhob mich und sagte: “Bringen Sie mir bitte einen Kaffee in den Netzraum. Ich habe gleich noch dort zu tun. Sergej, Boris, wir sehen uns auf jeden Fall heute Abend. Nett übrigens von euch, dass ihr mich nicht an einem Mobiltelefon erreichbar haben wollt.”

Sprach’s, und zog freundlich nach hüben und drüben nickend von dannen.

Die Russen waren mindestens so frech wie der Chinese. Ich fuggerte zu meinem Kaffee ein bisschen im Netz herum, damit keiner merken möge, dass ich nur nachdenken wollte, stieß schließlich bei einer großen deutschen Tageszeitung auf eine kleinere Notiz, die mich geradezu elektrisierte.  ”Abgeordneter der Linkspartei hinterfragt Status des Sonderwirtschaftsgebietes in Afrika” lautete die Überschrift, wonach ein Eugen Silberstein auf seinem Blog den Status von Südschwitz im Sinne dessen hinterfragte, ob wir als integrativer Teil der EU zu betrachten seien, der Sonderstatus sei “fragwürdig auch im Zusammenhang mit sonstigem geltendem internationalem Recht”.

Na prima, dachte ich mir. Mein Verdacht war wohl begründet. So fängt es in Norddoof offiziell an, während die Arianen und Harthöltzer und Borisse und Sergejs und Fongs sich hier schon die Klinke in die Hand geben.

Die Brits, die Amis und die Israelis hatten sicherlich schon je mindestens einen Mann am Ort. Auch auf einen Franzosen war zu rechnen.

Die Israelis würden sich nicht offen einmischen, höchstens über die Medien, oder vielleicht mal einen wie mich ganz zufällig und aus Versehen liquidieren.

Der Rest war nachher mit Olli zu besprechen. Sollte ich mit den Russen noch nach Buschhausen fahren, so versprach es, wiederum eine längere Schicht zu werden.

Um acht bei Olli, standen ein paar kleine Happen auf dem Tisch, Olli reichte einen blitzsauberen Sauvignon Blanc dazu. Das kam mir gerade recht, ich langte erstmal ordentlich zu. Nach Vortrag meiner Erlebnisse des Nachmittages fragte ich: “Und, Fong?”

“Fong sah sich zu meinem Vortrage zu kommen noch nicht pässlich, sich aber sehr erfreut ob des Angebotes – vielleicht auch mit dir – , nach neun noch eine kleine Verkostung ansteuern zu dürfen.”

“Nun, dann sollten wir die Gelegenheit beim Schopfe packen, indem ich Fong noch vor der Türe freundlich begrüße, aber dann, vor seinen Augen, mit meinen russischen Freunden abrausche, leider schon einer anderen Verabredung verpflichtet. Und du weißt einstweilen natürlich nur, dass ich die beiden netten Jungs gestern beim Biere kennengelernt habe und sie Buschhausen sehen und mit meiner Hilfe unsicher machen wollen.”

“Ja, so machen wir es. Umso besser, wenn Hartholtz mitkriegt, dass du mit den Russen unterwegs bist und ich den Chinesen betreue. Das wird ihn rätteln. Und den Rest auch.”

“Was meinst du, weshalb die Russen mir gleich sagten, dass sie Schlapphüte sind?”

“Ich schätze mal, die unterschätzen uns nicht, haben ihre Hausaufgaben gemacht, wussten also, dass wir es uns eh denken würden, sie so mehr Eindruck machen könnten. Signalisieren, dass sie hier sehr wohl gedenken, ein Wörtchen mitzureden, keine Angst vor den anderen haben.”

“Nur so ergibt es Sinn. Es sei denn, es wären falsche Russen.”

“Die Möglichkeit ist in der Tat im Auge zu behalten.”

Wir wogen noch diese und jene Variante und Eventualität, bis dass es, Punkt neun, klingelte, und siehe da, Fong stand ehrerbietig auf der Veranda, mein russisches Abholkommittee brav drei Meter dahinter.

Olli und ich begrüßten Fong feundlichst, ich meinen Russen schon zustimmend zunickend, worauf Olli sich es selbstredend nicht nehmen ließ, Boris und Sergej herzlich zu begrüßen, bedauernd zwar, mich für den Abend an sie verloren zu haben, meinte noch zu mir, ich möchte sie bei Fritz in seinem Namen empfehlen, ein geeignetes Nachtquartier für sie vorzuhalten. Die anderen Herren hatten sich untereinander schon vorgestellt, so dass diesbezüglich nichts zu unternehmen war, wir uns sodann ohne weiteres trennten, indem Fong noch seine Danksagungen an mich abgelassen hatte.

Sergej und Boris waren in einem typischen, wüstengelben südschwitzer Buschfahrzeug angerückt, einem Kleinwagen mit einer Dreiersitzbank vorn und einer Pritsche hinten, kleinem Wassertank und üblichem Bordwerkzeug. Außer zwei 100-Liter-Rucksäcken prangte rückwärtig noch eine große, verschlossene Alukiste.

Indem wir eine Weile gefahren waren, hub Sergej an: “Magnus, was hältst du von den Chinesen?”

“Was soll ich sagen? Ich habe nie einen näher kennengelernt. Außer Konfuzius.”

Sergej merkte, dass er so nicht weiterkam und schwieg erst einmal.

Boris machte endlich, indem ich mir eine in die Nacht hinein angesteckt hatte, drei Bier auf und meinte: “Heite wir machen keinen Stress mehr!”

Darauf stießen wir an.

Ich hoffte sehr, dass das “Heite” – wir würden bei dem Tempo noch vor halb elf in Buschhausen ankommen – möglichst auch noch nach Mitternacht halten werde.

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2 Antworten zu “Südschwitz: Lavieren mit Russen und Chines’”

  1. Dude sagt:

    Oh, die Geschichte nimmt ja wieder Fahrt auf!
    Das relativiert die heutigen privaten Aussagen von mir dazu etwas.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Ich kann in Südschwitz nur tun, was mir möglich. Bislang habe ich keinen heißen Draht in die relevanten Hauptstädte. Also schleppt sich die Sache zeitweise.

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