Jesus wählt wohl doch weder Linke noch PdV

Ich weiß jetzt, wem Jesus am 22. beinahe seine Stimme gegeben hätte. Vielleicht wenn ich ihn nicht so ernüchternd aufgeklärt hätte…

Nein, es ist nicht die Linkspartei, das hat die Sahra versiebt, und auch nicht die CDU, und auch nicht die Partei der Bilbeltreuen Christen.

Es ist, auch wenn das auf den ersten Blick ein bisschen überraschend anmuten mag, die Partei der Vernunft.

“Über 5000 Jahre Obskurantentum sind genug!”, sagte er heute Morgen bei seinem Frühstückstofu.

“Außerdem sind diese Ösi-Gurus von den Libertären schon ziemlich verstaubt; in ihrer Verzweiflung, weil sie keiner versteht, tun die mir leid. Die brauchen meine Unterstützung, Magnus.”

“Meinst du die glauben dir, dass du es ernst meinst? Die glauben nicht ans Mitleiden, daran, dass einer einfach freiwillig, aus reiner Gutherzigkeit, etwas gibt. Sie werden dir unlautere Absichten unterstellen.”

“Das ist doch paranoid.”

“Was? Dass ich befürchte, dass die so paranoid sind, oder dass sie dir vielleicht tatsächlich nicht über den Weg trauen werden?”

“Ich glaube nicht, dass die wirklich so paranoid sind.”

“Weißt du’s? Wie ich höre, tummeln sich nicht wenige Verschwörungstheoretiker in deren Reihen, Leute, die meinen, dass unser ganzes Geldsystem nichts taugt, und zwar mit Absicht, eine reine Beutelschneiderei.”

“Wie kommen die denn darauf? Eine so schöne Erfindung, die libertärste je, wie dass man per Knopfdruck Geld verleihen kann, zu guten Zinsen, das man gar nicht hat, wollen die nicht anerkennen? Dann ist es erst recht Zeit, dass ich denen was huste. Das sind ja hoffnungslose Sozialromantiker. Wo soll das ganze schöne Geld denn herkommen? Du weißt doch, dass Arbeit sich nicht lohnt.”

“Ja, das ist ja grade, was die nervt. Die meinen, das sei verkehrt, müsse anders werden. Die glauben sogar, dass das funktionierte.”

“Was für Spinner. Dann brauchen sie meine Hilfe umso mehr. Solch arme verwirrte Seelen brauchen meine Hilfe. Nicht dass der Teufel sie noch holt, mit dem sie offenkundig unwissentlich im Bunde.”

“Es ist noch schlimmer.”

“Was, noch schlimmer?”

“Ja, es haben sich sogar Patrioten in die Partei eingeschlichen. Manche sagen, sie sei in beträchtlichem Maße unterwandert.”

“PATRIOTEN? Und dann auch noch plutokratophobe? Infernalisch!”

“Ja, das wird mindestens ein Zweifronten-Hilfseinsatz. Es ist nämlich noch schlimmer.”

“Noch schlimmer? Geht das denn?”

“Sie meinen, dass man Kinder der arbeitenden Bevölkerung nicht über ökonomischen Druck vom Säuglingsalter an verstaatlichen solle. Das sei grausam, eine sozialistische Perversion.”

“Oh weh! Immer wenn ich auf die Erde komme, besonders wenn ich hier bei euch Deutschen aufschlage, noch verrücktere Cranks und Spinner. Wie sollte man ihre Kinder denn sonst verstaatlichen? Soll etwa die Polizei sie holen? Da stimmt doch etwas nicht. Ganz gewaltig nicht.”

“Was meinst du?”

“Na, das ist doch ganz einfach: Wäre ich ihr Anführer, so verwunderte es mich nicht, dass die noch keiner ins Irrenhaus verbracht hat, aber soo… Das sind ja richtige Volksverhetzer, wahrscheinlich meist auch noch gottlose obendrein. Ich werde dem Pack doch nicht helfen.”

Heute Mittag kam er nochmal vorbei, die Stirne in Falten.

“Da siehst du mal, Magnus, wie leicht es selbst mir hätte passieren können, dass ich es mit dem Mitleiden übertrieben hätte. Geldhasser, Nationalisten, Kindervergeisler, gottlose Antisozialisten!”

“Du solltest halt doch die Linkspartei wählen. Dort gibt es zwar auch ein paar Gottlose, aber man liebt das Geld anderer Leute, Nationalisten sind verpönt, Kinder gehören selbstverständlich der Gesellschaft, und Antisozialisten wirst du damit auch nicht befördern. Ein Mann deiner sittlichen Größe sollte in der Lage sein, ein wenig über seinen Schatten zu springen. Nur weil dir die Sahra einen Korb gegeben hat, wohl auch, weil du dir deine Haare nicht anständig gewaschen hattest, bei deinem Versuch eines amourösen Blitzkrieges, kannst du ja nicht gleich ihre ganze Partei in Sippenhaft nehmen. Außerdem: Vielleicht überlegt sie es sich ja nochmal.”

“Kommt überhaupt nicht in Frage. Das ist so ein Weib, die tut so, als hätte sie keine Freundinnen, und in Wirklichkeit hat sie schon allen davon erzählt. Ob bei proletarischem Bier oder aristokratischem Sherry, ja selbst Menopausentee, das ist mir egal. Willst du etwa, dass ich mich zum Gespött der Leute mache? Du meinst doch nicht etwa, dass du mich da in etwas hineinmanipulieren kannst? Was wählst du denn überhaupt?”

“Ich habe nun doch schon hundertmal gesagt, dass ich nicht zu dieser Wahl gehen werde. Überdies mehrfach zum aktiven Boykott aufgerufen.”

“Wieso machst du mich dann so schräg an, dass ich die Linke wählen sollte? Weißt du, was ich glaube? Deine ganze Wahlboykottiererei ist eine ausgemachte Finte. Die Leute sollen durch dein Geschwätz so hilflos werden, dass sie am Schluss entweder alle tatsächlich gar nicht oder, in letzter Verzweiflung, die Linke wählen. Die haben dann bei zehn Prozent Wahlbeteiligung mit neun Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten neunzig Prozent der Sitze im Bundestag, achwas, mit Überhangskandidaten noch mehr, glaubst du ich kann nicht rechnen? – Und, ja, klar, ich soll dem ganzen Bubenstück dann das Feigenblatt machen, denn wenn ich sie auch noch wähle, muss ja alles mit rechten Dingen zugegangen sein, das mit den Linken!”

Er wurde gegen Schluss hin richtig wütend.

“Horch, warte mal, Jesus…!”, rief ich ihm noch vergeblich nach, indem er die Tür zuschlug.

Normalerweise hat er sich bis morgen beruhigt und entschuldigt sich bei mir dafür, dass er mir eine derartige Teufelei zugetraut hat.

Ich bezweifle allerdings, dass er jetzt doch noch die Linke wählen und ebenso, dass er nun aus Trotz doch die Partei der Vernunft vorziehen wird. Er hat zwar manchmal den Verstand eines durchschnittlich begabten Siebenjährigen, neigt ein wenig zur Impulsivität und spontanen, ja sprunghaften Entscheidungen, verfügt aber über recht gute Instinkte dafür, wie weit er am Ende gehen, was er sich noch leisten kann, damit sein Ruf nicht übers Maß aufs Spiel gesetzt.

 

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5 Antworten zu “Jesus wählt wohl doch weder Linke noch PdV”

  1. Dude sagt:

    *rofl* !!!

    Lacher des Tages – danke!

  2. Thomas sagt:

    Tja, der Herr J. hats halt nicht leicht bei uns in D.
    Und der Göller hat noch Jeden verwirrt. ;)

  3. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Thomas

    Der Herr J. hat’s in der Tat nicht leicht in D. Und dies, obzwar er in mir einen sehr kompetenten, überaus ehrlichen, absolut loyalen Berater hat.
    Nun haben wir aber das Durcheinander in D, das wir haben, und da J. selbst nicht selten zur Wirrköpfichtheit neigt, kann ich die Sache nur so gut einhegen, wie ich es kann.
    Ohje. Da ist er. Jetzt trägt er ein rotes Piratentuch. Was das wohl wieder bedeuten mag. Ich habe ihm jedenfalls nichts in den Tee getan. Ich muss erstmal schlussmachen, Thomas. Hier brennt der Kittel.

  4. Thomas sagt:

    Seit dem er das Piratentuch trägt, nennt er sich auch noch Jay…

  5. Zwergelstern7 sagt:

    beim Durchlesen,hab’ Ich wieder schallend Lachen müssen.
    Erfrischend begeisternd liest’s sich.

    F.E.S.

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