Ich weiß nicht, ob ich je in der Lage sein werde, eine Heinrich von Kleists Novellen auch nur annähernd vergleichbare zu verfassen.
Sollte ich auch nur eine halbwegs anständige zusammenbringen, so werde ich sie jedenfalls ihm widmen.
Die Novelle ist eine scheinbar einfache literarische Form: im Wesentlichen ein Handlungsstrang bis hin zum Höhepunkt, ein klarer Ausgang.
Und doch, mich eingeschlossen, bislang zumindest, schreibt praktisch keiner mehr gute Novellen.
Es gilt daher einmal der Frage nachzugehen, weshalb das so ist. (Es liegt wohl nicht daran, dass man heutzutage nicht einmal mehr seinen Sohn, selbst wenn er schon größer, als man selber, noch ein Schreiberbier holen schicken kann, was jetzt gerade wieder einmal ärgerlich.)
So, das Bier ist bey, die Frage damit aber nicht beantwortet.
Kann es sein, dass gerade die Einfachheit die Sache so schwierig macht?
Jedenfalls ist festzustellen, dass literarische Prosaschreiber nach hüben in die Kurzgeschichte flüchten (die sind, nach Kafka, außer Bukowski, fast alle Scheiße), oder nach drüben in den Roman.
Hier muss man fast gar nichts leisten, um gefeiert zu werden, wenn man die entsprechende Förderung genießt, dort kann man so lange ungefähr herumschwätzen, bis dass das Buch dick genug und einen dafür vielleicht jemand ernst nimmt.
Bei der Novelle aber gilt es. Der Literat muss wirklich erzählen können, sonst merkt es ein jeder, dass er’s nicht kann. Das ist schon fies.
Er kann sich nicht hinter ausufernden, larmoyanten Dialogen verstecken, Rückblenden, Kindheitsbeschreibungen, solche von Dömen und Wassern, Menstruationsbeschwerden und fünf Jahre währenden Menopausen, nein, die Handlung muss fortschreiten, es muss etwas passieren.
Der Leser muss auch auf Schritt und Tritt merken, dass etwas geschieht, und noch Entscheidendes geschehen wird. Der Verfasser kann weder, wie in der typischen American Short Story, einfach gar nichts sagen, indem er was schreibt, was gottlob nicht lang, noch dass er so lange alles Mögliche daherlabern dürfte, bis der Leser, glücklich und erlöst, am Ende des Buches.
Bei Kleist pflegt auf der ersten Seite schon mehr zu stehen, als bei anderen in dreißig halbpennälerhaften Kurzgeschichten oder einem Romane, der beim Herunterfallen Fußknochen brechen kann.
Darum geht es. Lallbacken der einen wie der anderen Art sind hier nicht zu brauchen. Man liefere. Und zwar ohne Unterlass.
Diese Dichtigkeit macht die Novelle aus. Boccaccio zeigt das wie Cervantes es gezeigt wie Kleist und Gogol und Storm.
Man könnte von daher geradezu auf den “modernen” Geisteszustand schließen: Man hat entweder gar keinen Anfang und daher auch kein Ende, kurz, oder man hat sehr lange keinen Anfang und ebensolange kein Ende. Und wirklich einen Stoff hat man eh nicht, denn alle Stoffe hatten ja schon andere.
Nun: Was mache ich mich hier lustig. Ich habe ja selber noch nicht gezeigt, dass ich es kann. Immerhin weiß ich aber schonmal, wo das Problem liegt. Meine ich.
Wer mir eine anständige neue Novelle bringt, dem spendiere ich ein Bier. Versprochen.
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Tags: Novellentheorie
Hallo,
zufällig komme ich heut auf Ihre Zeilen, die aufzeigen, dass Sie selbstlos sehr viel Zeit und Mühe in eine gute Sache investierten.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich jetzt erst Mal so richtig gut von der Mühe erholen und dass Sie Erfolg in ihrer beruflichen Laufbahn bekommen und glücklich und vor allem gesund bleiben.
Es grüßt Sie vielmals
Elisabeth Schwabe
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@ Elisabeth Schwabe
Vielen Dank!