Diskrete Verhandlungen in Südschwitz

Wie Sie wissen, hatte mich Oberst Hartholtz nach der nächtlichen Fete beim Verfassungsschutz, der Dunkelbütt, nicht nur recht deutlich gerügt und zur Ordnung gerufen, sondern auch zum Kaffee in sein Dienstdomizil geladen, alswelcher Gunst nicht anzunehmen tumbste Torheit gewesen wäre, alsweshalb ich beim Oberstabsgefreiten Zipf (dem “Stiefel-Manne”) zu Pfingstdienstag (den gibt es hier; er ist in etwa das, was man im Altreich als einen blauen Montag kennt) am Spätnachmittage allerbotmäßigst anfrug, wann mein Kommen dem Herrn Obersten genehm und füglich erscheinen wolle, ich käme, wo immer ich es einzurichten wisse, zum vom Herrn Obersten vorzüglich einrichtbaren Zeitpunkt.

Erstaunlicherweise spielte sich Zipf (er pfitzt gerne und macht sich wichtig, aber nur, wenn Hartholtz nicht in der Nähe und er sich traut) kein bisschen auf, gab mir gleich seinen Lehrmeister selbst an die Strippe.

“Na, ausgeschlafen, Herr Göller?”, bellte Hartholtz ins Fon (immerhin sagte er ‘Herr Göller’ und nicht einfach ‘Göller’, eine Behandlung, die ich mir vorgenommen hatte mir, zumal von einem Militär, nicht noch einmal ohne deutlichen Widerspruch angedeihen zu lassen), “Donnerstag, halb vier?”

“Donnerstag, halb vier. Sie dürfen Ihre Dienstuhr drauf stellen.”

Schon war es passiert.

“Göller, werden Sie nicht frech. Ich schätze Ihre Beredtheit, nicht aber immer Ihre Impertinenz!”

“Nun, Herr Oberst, Sie nennen mich künftighin immer, wie jeden anständigen Zivilisten, Herr Göller, und ich bin gerne bereit in der Impertinenzsache meinerseits Zurückhaltung walten zu lassen.”

“Ja, in der Tat, sie schwatzen daher wie ein Zivilist. Also, übermorgen.”

“Übermorgen.”

Eine Minute vor halb vier stund ich also vor dem Haupteingang der Randolf-von-Striebel-Kaserne (im Volksmund heißt sie Hildegardkaserne, aber das ist eine andere Geschichte), von woselbst mich Zipf durchs Haupttor über den Hof direktemang in Hartholtzens Dienstzimmer geleitete, mich der Oberst mit festem Handschlag und einem “Herr Göller!” knapp begrüßt habend alsogleich weiter in seine dahinterliegende Laube, um die sich schon manche Legende rankt.

Zipf trug Kaffee auf, und, ich ward nicht gefragt, ob es mir denn zu frühe sei oder gerade nicht mein Wunsch, dazu zwei schöne Schwenker, deren einer von Hartholtz, noch bevor ein Schluck des anderen Anregers zu nehmen war, mit filigranen Bewegungen also zur Zusatzluft gebracht ward, dass die Höflichkeit es gebeute, meinerseits dasselbe zu tun, woraufhin mein Gegenüber mit stahlblau geradem Blicke mit mir anstieß, den Kaffeegenuss, ziemlich vorgehalten, mittels dieses Eintropfens zur Freigabe zu führen.

Es war eine echte Demonstration. Schon an der Nase war mir klar, dass hier kein Jungspund von Hennessy oder Courvoisier gereicht, sondern ein Kognak, der mir olympisch unbekannt, womöglich älter als ich selbst.

Hartholtz schaute, indem ich diesen Göttersaft anverkostete, ruhig in mein Gesichte, und er hatte mich. Diesen Brand nicht angemessen zu loben, wäre alsowohl eine unverzeihliche Kulturlosigkeit wie auch eine kaum wieder gutzumachende Frechheit gewesen, weswegen ich meinte, die Sache doch etwas in den Flachs zu bringen, dass man selbst bei Olli, und wäre er überbester Laune, nicht leicht einen solch hochnotköstlichen Franzenfreund kredenzt bekäme.

“Immerhin wissen Sie, was gut ist. Das schätze ich an Ihnen, Herr Göller”, meinte Hartholtz dazu, und wir widmeten uns, Zweidrittelgläser noch stehend, einem Schluck des Schwarzen.

“Herr Göller, Unfug wie jener am letzten Samstag darf nicht mehr vorkommen. Sie wissen ganz genau, dass es in meinen Aufgabenbereich fällt, den Verfassungsschutz zu schützen. Stellen Sie sich mal vor, einer von diesen…, äh, von denen, bekommt auch nur einen Bierdeckel an die Backe und meldet sich als von Insurgenten verletzt. Was mache ich dann? Erzählen, dass ich auch schon einen an die Backe bekam, das aber doch recht unversehrt überlebte?”

“Ja, Herr Oberst, ich sah es ja auch gleich ein, das war des Unfugs zuviel. Ich werde meinen Einfluss geltend machen, Sie in keine weiteren dergestaltigen Imponderabilien zu bringen.”

“Gut so”, sagte Hartholtz ruhig und nahm noch einen Schluck vom Größtsoldatensafte.

“Ich kann aber für nichts garantieren, wenn diese, mit Verlaub, Herr Oberst, Blödel, anfangen, auch in Buschhausen allzufrech ihr Unwerk zu treiben. Ich kann den Leuten nicht befehlen, nur über Bildungsangebote und sinnige Rede einwirken.”

“Wir haben uns so weit besprochen. Man hat selbst in Berlin begriffen, dass es unklug wäre, Verfassungsschutzmitarbeiter gar noch in Buschhausen unangenehm auffällig werden zu lassen. Sie werden aber nachvollziehen können, dass Berlin darauf besteht, wenigstens in Freiberg mit dem VS einigermaßen ungestört präsent bleiben zu können. Man könnte geradezu sagen, auf Südschwitzerisch, es ist für Norddoof eine Frage der Ehre.”

“Ja, das dachte ich mir schon ungefähr so”, entgegnete ich langsam.

“Kann ich sonsten noch irgendwie behilflich sein, außer durch diesbezügliche Einsicht und zielführende Tat, und natürlich dadurch, dass Sie auch noch einen Schluck dieses Traubennektariums nicht alleine seiner edlen Bestimmung zuführen müssen?”

Hartholtz lachte unvermittelt, donnernd. Aber er schenkte nach.

“Also, nehmen wir noch einen kleinen. Ja, es gibt noch etwas, um das ich Sie gerne bitten würde.”

“Ich bin ganz Ohr.”

“Wirken Sie ein bisschen auf die Kiffer ein. Keiner hat was gegen die, solange sie nicht zu dreist werden. Es kann aber einfach nicht angehen, dass die am Mittag auf dem Adenauerplatz demonstrativ Monsterjoints verkonsumieren. Es hat schon Zeitungsberichte gegeben. So ist das nicht gut.”

“Ok. Ich werde sehen, was ich machen kann. Allerdings wäre es in diesem Zusammenhang auch nicht unangebracht, wenn Ihre Soldaten ihre abgerauchten Tütenstummel nicht direkt vor dem Haupttor in den Staub von Südschwitz träten.”

“Da sagen Sie was, da sagen Sie was, Herr Göller. Ich denke, wir verstehen uns.”

Er hob nochmal den Schwenker, und es war klar, dass wir jetzo austränken, was wir denn auch andächtig taten, rief Zipf, dass der mich aus dem Standort geleite.

 

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