Gestern musste ich herbe Kritik einstecken.
Seit gut einem Jahr ginge ich allzuviel mit dem Hackebeil herum, sehr häufig auf die armen Religionen dreinschlagend, allzumal meine Aphorismen dazu seien teils unterirdisch.
Kaum einmal schriebe ich Schönes, Erbauliches, Hinanführendes. Und wenn es einmal vorkomme, so gehe das in all den Zynismen und Sarkasmen drumherum unter, so dass man es kaum noch wahrnehme. Ich träte nur Scherben, derer es schon genug gebe, noch kleiner, alswelches eine eitle, unnütze, zumal wohlfeile Kunst.
Mein Einwand dahingehend, dass ich meine, damit eine notwendige Arbeit zu verrichten, da ich nicht sähe, dass sie so anderweitig hinreichend getan werde, half wenig. Auch Scherbenkleintreter gebe es genung.
Nun fühle ich mich immerhin dahingehend geehrt (man muss aus allem das Beste machen), dass man dem hauptbehuflichen Scherbenzertreter anscheinend doch zutraut, auch etwas anderes zu können. Sonst wäre ich ja wohl nicht dazu aufgefordert worden, es zu tun.
In der Tat aber enthält die Kritik Wahres; über religiöses und esoterisches Gedöns habe ich mich so häufig, so hart, auch redundant (ich bekenne mich in der Pädagogik durchaus schamlos zum Prinzip der Wiederholung, wobei allerdings auch hier ein Maß walten muss), hergemacht, dass ich diesen Bereich reduziert betreuen werde. (Ich hatte vor der scharfen Kritik selbst schon das Gefühl, dass es jetzt damit einmal lange. Insofern trug mein Kritiker, wie er es zu nennen pflegt, Lammkeulen nach Hammelburg.)
Auch ist klar, dass man, zumindest wenn man vorgeht wie ich, diese Dinge aufgreifend ständig persönliche Gefühle verletzt; für jeden mag in einem Text jener oder ein anderer Satz diese Wirkung tun; und wenn nicht in jenem Text, so in einem anderen. Also, dass fast nur noch dieser jeweilige Satz bzw. eine Teilausführung wahrgenommen wird, der Rest drumherum kaum. Man wendet sich ab.
Letzteres allerdings ist mir in dem Zusammenhang vergleichsweise egal, da ich diesen Blog nicht betreibe, um zu gefallen. Wäre das so, so hätte ich ihn von Anfang an anders aufgezogen. Ich wusste schon damals, was die Leute gerne lesen, hätte auch dessen liefern können.
Zudem ist das, was ich unter Erbaulichem verstehe, was hier meist unter der Rubrik “Schönes” einsortiert (beileibe aber nicht nur!), ebenfalls nur für wenige erbaulich; das mag an der stilistischen Darbietung liegen, oder am Inhalt, oder beidem.
Und gerade was das anlangt, auch wenn ich das Scherbenzertreten wahrscheinlich etwas zurückfahren werde (oder auch grade erst recht nicht!), steht mir der Sinn noch viel weniger nach Anpassung, nach Kompromiss.
Das hieße nämlich, dass ich meine schriftstellerische Seele verkaufte.
Mir ist es wichtiger, dass mir ein Text gefällt (dies hier ist keine PR-Agentur), denn dass, ob er anderen gefällt. Das mag man für unklug, unprofessionell usw. halten, aber das ist mir egal. Und wenn es schon ums Fremdgefallen geht: Besser ein Text inspiriert einen von Format, denn dass er Hunderten Viertelsgeistern zupass käme.
Abgesehen davon nämlich, dass hier wohl auch hie und da ein interessanter Gedanke geäußert wird, geht es mir um Logik, um angewandte Sprachwissenschaft, um Ästhetik, um Sprachpflege. Daran gemessen sind für mich Reichweite und Zustimmung, gar eifriger Zuspruch, nichts.
Bei meiner ganzen, fast schon legendären Unspiritualität (legendär im relativen Rahmen der geringen Reichweite) bin ich mir nämlich sicher, einerseits, dass in dieser Richtung insgesamt zuwenig getan wird, andererseits, dass eben nicht der kurzfristig sichtbare Erfolg zählt, sondern das Zeigen an sich, das Tun, das gezeigt und getan Haben.
Es gibt für mich zweifelsfrei jenes, was manche morphische Felder nennen; das ad Eins; außerdem ist da, was da ist, sei es auch, dass es erst später verbreiteter, umfässlicher, tiefer erfasst. Dies zu wissen, bedarf es keinerlei Glaubens. Dafür genügt schon ein wenig wache menschliche Erfahrung.
So ist, wollen wir es einmal magisch formulieren, für mich denn auch die höchste und reinste Form der Magie jene, die sich im Sinne ihrer Wirkung keinen Zeitrahmen setzt. Hiemit auch kein klar definiertes, unmittelbares Ziel.
Ja, und wenn wir schon so weit sind: Da muss ich doch mal wieder ein wenig Scherben kleintreten. Desfalls das ganze mystische Geschwätz.
“Du gleichst dem Geist, den du begreifst”: Also spricht in Goethes Faust der heranzitierte Erdgeist zum Doktor. (Den Satz musste ich erst gestern einem Schüler erklären, weshalb er mir dazu gerade einfällt.)
Will heißen: Wo die Fähigkeit zur Erkenntnis nicht ausgebildet, ist schlicht Hopfen und Malz verloren, egal, wer kömmt, welchem Geist oder Gegenstand sich einer nähert. Und die Fähigkeit zur Erkenntnis bildet sich zwar teils im Sinnen (meinetwegen auch Meditieren) heraus, aber ganz wesentlich eben doch entlang des Schaffens. Das Schaffen nämlich ist ständige Prüfe.
Hierzu passten jetzt gleich mehrere Zitate aus Nietzsches Zarathustra. Besser aber, man liest das ganze Buch.
Gut. Dieser Text ist auch nicht schön, wohl wiederum allenfalls für wenige, vielleicht keinen, erbaulich; Scherben wurden auch wieder ein paar zertreten; Lob gab es keins; apollinische Liebeslyrik absent; auch sonsten keine Herzerwärmer; kein dionysischer Gesang: selbst schuld, der ihn gelesen.
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Tags: Ästhetik, Logik, Magie, Morphische Felder, Mystik, Scherbenkleintreter, Sprachpflege, Sprachwissenschaft
Also mir gefällt der Artikel. :-)
Und auch wenn mir die dauernde Scherbenzertreterei zuweilen auch gehörig auf den Sack geht (und mE. völlig übertrieben und z.T. auch unnötig und schädlich ist), gibt es hier wahrlich auch sehr viel Erbauliches, Schönes, Tiefsinniges, Weises, Philosophisches, was auch einer der Gründe ist, weshalb ich diesen Weblog so schätze.
@ Dude
Zunächst danke für den freundlichen Teil.
Zur dauernden Scherbenzertreterei, die zuweilen auch gehörig auf den Sack geht, völlig übertrieben und z.T. auch unnötig und schädlich: Ich höre geradezu, wie es knackt und knirscht.
Eine derart offene Einladung wie jene oben, mir all meine Gemeinheiten mal ordentlich heimzuzahlen, war wohl kaum auszuschlagen. Das ist auch in Ordnung so.
Je ne regrette rien.
(Immerhin scheuche ich keine kleinen Kinder an Orte, wo sie gekreuzigte Götter anbeten müssen, symbolisch vampirische Akte und solche des Kannibalismus begehen, schnippele ihnen nicht an den Geschlechtsorganen herum usw. Insofern halte ich meine vorgeblichen Vergehen hier gemessen an dem, was man weithin immer noch für normal hält, für vergleichsweise lässlich.)
@R.
Wird Zeit, dass Du hier auch mal wieder was sagst. ;-)
Ja. Man sollte sich überhaupt nie rechtfertigen…
@ Lisa
Ein großer Schritt zur Freiheit…
[...] wollte man mich nochmal eingemeinden: Das heißt, dass der Scherbenzertreter seine Arbeit nicht allzuschlecht [...]