Nachdem Konstantin in München seine Geldkatz’ für die nächsten Unternehmungen zu Hamburg gefüllt hatte, beschloss er doch, auch da sie am Wege, zur Erholung, auch des berühmten Weines wegen, der dort wachset und gekeltert, der schönen Stadt Würzburg einen Besuch abzustatten.
Schon vor dem Bahnhofe, der fast am Fuße jenes Heiligen Weinberges, dem Steine, gelegen, drangen die süßen Düfte der gerade erblühten Magnolienbäume, derer einige daselbst die erste Frühjahrspracht Würzburgs bilden, ihm entgegen, indem die Sonne keck zwischen sich verziehenden Wolken durchlugte, seine Seele also obendrein erquickend.
Kecke Studentinnen der Lebens- und Erdkunde, der Unrechts- und Betrugswissenschaft, durchschwärmten den Ringpark alswie die Mainauen, ihre Ränzlein anmutig geschnüret und geschürzet; die Singvögelein erschollen im Balzgesange; blaue Zipfel harrten Konstantins schon im Sude; die Steinburg blickete gütig auf all dies Frankentreiben herab: nicht lange, da saß Konstantin denn auch, unter der beeindruckenden Mainfränkischen Festung, direkt am Flusse, mit Blick auf die herrliche Alte Mainbrücke, im Gasthause Brückenbäck, sich erste Atzung verschaffend.
Indem er nun dort saß, der zweite Silvaner seine Kehl’ gar freundlich hinabgeronnen, sagte er zu sich: “Potzblitz! Es zieht mich so bald doch gar nichts an jene verregnete Hamburg, wo jeder mittlere Marketender, so geht die Kunde, sich für einen Alwis hält!”
Nach dem dritten Glase machte er sich also auf; zuerst die Feste hinan, des herrlichen Blickes, ehrfürchtig der Inneren Leiste gewahrend, dann zum Käppele, zum Nachgusse auf den Schützenhof. “Eiderdaus! Jetzt hab’ ich schon dreißig Jahr’ auf dem Puckel, und sehe doch dieses Kleinod zum ersten Male!” – also sann er fast ehrfürchtig dorten, indem er andächtig Gerupften mit Bauernbrot zu einem vortrefflichen Weißburgunder führte.
So beschloss er, sich für diese Nacht keine Herberg’ zu suchen, stattdessen im Sacke mit einem Bocksbeutel auf der Festungswiese zum süßen Traume zu kommen. Der ganze Himmel hing so voller Geigen, dass er heute auch jedes Schabernacks, jedes Streiches zu entraten sich zum Vorsatze machte.
Der unvergleichliche Riesling von der Leiste, der sammetene Spätburgunder vom Veitshöchheimer Sonnenschein schließlich, versöhnten ihn mit der Welt also, dass er tatsächlich nur noch trällerte und sang, bis er auch dessen nicht mehr merkte, von der frischen Luft und dem Tau erwecket, des anderen Morgens fröhlich erwachte.
Gerade noch, so erinnerte er sich, hatte er die Achtsamkeit gehabt, sich aus der letzten Weinstube heraus nicht von einer lustigen Professorengattin verführen zu lassen, die wohl schon ein paar Lenze mehr zählete als er, aber, nicht nur des Weinblickes halber, mit ihren Reizen gleichwohl nicht zu geizen gewusst. “Dunnerkeil aber auch!” – also entfuhr es ihm noch im Wachwerden (so viel Unterfränkisch hatte er schon gelernt).
Heute, das ward ihm schlagartig bewusst, musste er seiner Berufung wenigstens einige Stunden lang nachgehen, da ihn diese Stadt und ihr Wein und ihre Weiber sonsten aus der Bahn würfen.
Nach dem Morgenkaffee war ihm klar, dass die gestrige Nacht ein unmissverständliches Zeichen bereitgehalten hatte: Er musste jener unverantwortlichen Universität einen Besuch abstatten, die Professores also beschäftigete, dass sie Frauen wie jene Julia lose ins Weinhaus trieben.
Nach einer knusprigen halben Ente mit rohen Klößen, garig dunkelbrauner Soß’ und Rotkohl, und nur einer Domina aus Iphofen, machte er sich ans Werk.
Bald werden Sie davon erfahren, wie Konstantin sich eben noch nicht einmal zu Würzburg von Wein, Weib und Gesang zum reinen Müßiggange hin überwältigen ließ.
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Tags: Konstantin Eulenspiegel
Und was ich im Kommentar zum vorangehenden Artikel noch vergass:
Die hier dargereichte Sprachkunst in allerhöchster Qualität zeichnet diesen Weblog zuvörderst aus. Eine wahre Perle im Netz; in dieser Qualität leider kaum mehr sonstwo zu finden.
Respekt und Dank!