Ich habe mich hier schon öfter in dieser Richtung geäußert, tue es jetzt aber erst recht nochmal.
Wenn ich das Wort “spirituell” nur höre, muss ich aufpassen, dass sich mir nicht gleich der Hirnmagen umdreht. Fast immer ist der Begriff (wie auch das Nomen “Spiritualität” dazu) hohl, allermeist dazu und dadurch noch ein Totschlagwort.
Der nicht andächtig lauschet, erschrocken zurücktritt, andächtig, sobald es erschallt, diskreditiert sich ins Profane, beweise automatisch, dass er ein Ohngeist, wenn nicht gar ein Böser sei.
Das Wort steht für die Esopolitische Korrektheit, die verbale Sense der Alternativen und Guten.
Kaum noch einer wagt es dawider, den Kopf aus der Ackerfurche zu heben. Allzuschnell ist man jenen reputationsmäßig los, ein Untermensch.
Mit einigem Glücke und Geschicke mag der Widerständige noch dem Verdikte entkommen, er schaffe, wissentlich oder auch nicht, für die bösen Globalisten.
Dabei merken die Spiris meist nicht, dass sie damit exakt das Werk der Nivellierer verrichten, die alles gleich platt zu machen trachten: außer natürlich sich selbst.
Jeder sei gleich; oder unspirituell, weil er das nicht einsehen wolle: genau so macht man Völker platt. Bis dass sie nicht mehr wissen, wie sie einst hießen, bis dass keiner mehr weiß, wo er her, wie er heißt.
Ich werde, zur Verdeutlichung, jetzt ein bisschen drastisch: Die üblen Unspirituellen sind jene mit eigenem Verstand. Die Selberdenker. Jene Asozialen, die nicht der spirituellen Herde der Guten und Gleichen.
Das ist ein Programm. So etwas folgt, zumindest erfahrungsgemäß, fast nie nicht einem Programm.
Man hat ein Zauberwort, früher waren es andere, und man implementiert es. Stück für Stück, Schritt für Schritt. Wie je. Diesmal halt dieses. Hauptsache, es zieht in die gewünschte Richtung. Der Rest ist egal.
Ich maße mir an, zuwenigst die meisten dahingehenden Mechanismen inzwischen zu kennen und durchschaut zu haben. Man spaltet entlang derartiger Begriffe Völker, Familien, Freunde, Liebende, kalt lächelnd.
Das Problem dabei ist lediglich, dass man nicht immer die besten Philologen für sein Programm zu gewinnen vermag. Immer wieder ist einer von denen nicht käuflich, durchschaut, was gerade gespielt.
Das macht zwar wenig, solange kaum einer auf ihn horcht, man ihn zu marginalisieren weiß; darin hat man Übung; ein paar gute Worte, ein trefflich geäußerter Gedanke, kann aber auch noch spät, sei es selbst erst nach dem Tode dessen, seine Kreise ziehen: als Transversalwelle für die Vielen, als Longitudinalwelle für die Wenigen.
Man wusste den unvergleichlichen Heinrich von Kleist nicht zu tilgen. Obzwar er sich mit 34 eine Kugel in den Kopf schoss. Er steht und steht und steht.
Man sülcht und goethet herum, so gut man das vermag. (Und verblödet selber daran: Pech.)
Ich bin zwar, grob gesagt, das, was man einen Agnostiker zu heißen pflegt (im Sinne der Nichtbeweisbarkeit Gottes wie dessen Nichtexistenz, obschon für mich wesentlich mehr für letztere spricht), meine aber eines qua Erfahrung zu wissen (man mag es auch Glaube nennen, mir hier egal): nämlich dass richtige Gedanken durch keine Macht getilgt werden können. Einmal da, werden sie sich immer wieder melden. So viele Grabdeckel kann man gar nicht daraufsetzen, dass sie nicht doch wieder ans Licht brächen.
Man kann die leibliche Hülle eines schöpferischen Geistes totschlagen, aber nicht, was er hervorgebracht. Deshalb sehe ich, bei allem Elend, eine große Zukunft für die Menschheit. Sie hat am Grunde jetzt schon alles, was sie braucht. Und es wird noch vieles hinzukommen.
Ja, ich erlebte die Befreiung gerne noch. Dass Kunst wieder in ihren Wert trete. Ich bin indes kein so heilloser Romantiker, dass ich daran glaubte.
Das spielt aber im Ganzen eine geringe, untergeordnete Rolle. Ebenso, ob ich das dann noch von irgendwoher sehen kann, es “mich” dann irgendwie noch gibt.
Weisheit beginnt für mich dort (das vergaß ich neulich im Artikel dazu), wo diese Frage gar keine Rolle mehr spielt. Es kommen neue Kinder auf die Welt.
Leben reicht über einen selbst hinaus. Man hat es nicht auf 99 Jahre gepachtet. Der rechte Mann, die rechte Frau, macht etwas aus dieser Erkenntnis.
Das sagen mir Konfuzius, Cervantes, Nietzsche.
Also jene, mit denen ich mich täglich unterhalten kann, obschon ich sie zumindest in jenem ihrem damaligen Fleische nicht leicht noch antreffen werde.
Geister, Helden – ja: Helden! – , die mir, im Gegensatze zu irgendwelchen “spirituellen” Seichschwätzern, wenn nicht an jedem Tage, so doch immer wieder etwas zu sagen haben, das mich hier wie darüberhinausgehend ermutigt.
Man konnte vor 2500 Jahren in China richtig denken, man konnte es vor 400 in Spanien, vor gut 100 in meinem Vaterlande: Das heißt, dass es überall und immer möglich.
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