Kunst, Freiheit, Freude

Ich sehe gerade, dass ich mir die letzten Tage eine ganze Menge negatives Karma herbeigeschrieben habe. Nicht eine Geschichte, in der der Himmel voller Geigen hing, weil der Rolf endlich den Pitt kriegte, Elli und Lilli von Pfarrer Detlev getraut wurden, um hernach hochzeitsreisweis auf dem Ararat unvergleichlich steile Nächte zu verbringen.

Justin sitzt immer noch in der Klapse, und Konstantin hat sich seit Tagen nicht aus München gemeldet. Ob ihn wohl gar in schwärzester Nacht ein Jesuit in die Isar gestoßen? Noch nicht einmal aus Deutsch-Südschwitz gibt es klare frohe Mär. Lediglich das Gerücht erreichte mich, dass die Separatisten dort die Forderung der Volksabstimmung über den Austritt aus dem Euro sehr beharrlich vorantrieben.

Dass Obamas Teleprompter zwischenzeitlich nicht geklaut wurden, die PR unseres Großen Bruders also noch funktioniert, spendet mir da erst recht wenig Trost. Ebensowenig, dass wir nicht mehr Papst sind.

Ich traue mich nicht einmal mehr zu meiner Wirtin. Die fragt nämlich gelegentlich, wie es mir gehe. Und ich lüge sie auf diese Frage hin nicht nur deshalb nie an, weil das sinnlos wäre.

Immerhin aber ist am Sonntag Vernissage. Grafik von Günter Grass. In der Uhlberghalle in Filderstadt. Mein Freund Roland hat das auf die Beine gestellt. Und das ist jetzt mein fröhlicher Ernst: http://kunstverein-filderstadt.de/Kunstverein-next.html 

Außerdem fahre ich am 31. zum Dude nach Zürich. Und den, bzw. seine junge Netzseite, gibt es nachweislich auch: dudeweblog.wordpress.com

Und mein Traum vorhin war auch nicht schlecht: Es gelang mir, ein paar merkwürdsame Probleme an den Sanitäranlagen des Wochenendhauses eines alten Freundes zu lösen, woraufhin ich bei ihm im Wagen mitfahrend einen textuell zwar schäbigen christlichen Choral hörte, aber schon nach drei Tönen erkannte, dass die Melodie von Bach war, so dass ich einfach nur noch den erbaulichen Orgelklängen lauschte.

Wahrlich: Dieser Bach trägt negatives Karma ab, wie als ob es nichts wäre. Selbst noch in einem etwas wirren Traume. (Und, der Gerechtigkeit wie der redlichen Milde halber: Jener Mönch Luther konnte immerhin sehr beachtlich Deutsch.)

Jetzt warte ich nur noch darauf, dass mich Friedrich Nietzsche im Traume mit freundlichen Worten bedenkt. Etwa: “Magnus, Deine Übersetzung meines Zarathustra ins Frühneuenglische ist zwar zweifellos noch nicht fertig, auch noch in weiten Teilen ziemlich disparat, doch finden sich durchaus auch schon löbliche Ansätze.”

Vielleicht höre ich sogar bald mal wieder was von der Vroni, dem Didier und dem Enzianhannes. Ich mag auch den Didier sehr; aber das Schicksal von der Vroni und dem Enzianhannes liegt mir besonders am Herzen. Wie ich die in meinem Volksstücke, der leicht absurden Komödie, dem Fünfakter “Winter in Sankt Anton”, schon vor über zwanzig Jahren zu ihrem Liebesglücke führte, indem gerade diese notwendige Partie tragisch nicht zustande zu kommen dräute, das hebt mir das Glaserl heute noch. Da weiß ich nichtmal, ob ich selber lieber die Vroni oder der Enzianhannes gewesen wäre.

Sogar Reschewski, der zynische Importeur nicht zu handelnder seltener Tiere, wird in dem Stücke schließlich weich. All seine Lust daran, böse zu sein, vergehet selbst ihm endlich glücklich.

Alle in der kleinen Pension eingeschneit, bis dass unvermeidlich drei Paare sich bis hinan in den Tiroler Himmel finden. Bei nur elf Dramatisierten. Das war die Zeit, als mir noch Moliere (den accent grave kriege ich grade tastaturtechnisch nicht hin, egal) die Feder führte. Fast impromptu.

Die letzten 12 oder 15 Seiten schrieb ich an einem Abend. Zu Salamanca. Ich merkte dabei kaum, wie die Weinflaschen sich in die Freude leerten. Sie wollten gar nichts anderes mehr. Sie ergaben sich einfach willig ihrer natürlichen Bestimmung.

Jaja. So war das. In meiner Kate von knapp vier Quadratmetern. Bett, Tischlein, Stuhl, Magnus, Stift und Papier. Der Himmel brach herein.

Da erfuhr ich wohl zum ersten Male wirklich, was dionysisches Schaffen sei. Losgelöst von dieser Welt genau in dieser Welt.

Kein Wunder, dass ich anderntags nicht den Hauch eines Katers hatte. Wer also trinkt, bekommt keinen.

Die Erde ist eben doch kein Straflagerplanet.

Es ist schön hier.

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7 Antworten zu “Kunst, Freiheit, Freude”

  1. Jochen sagt:

    @ Magnus

    “Kein Wunder, dass ich anderntags nicht den Hauch eines Katers hatte. Wer also trinkt, bekommt keinen.”

    Das nennt sich alkoholsüchtig.

    “Die Erde ist eben doch kein Straflagerplanet.”

    Es führt zur Realitätsverweigerung.

    “Es ist schön hier.”

    Die Sinne sind verklärt. Es wird sich über den Geist eine Scheinwelt zurechtgebastelt. Sich selbst zu belügen, wird zur Normalität.

    Wir leben in einem System, in dem die Menschen langsam aber stetig verrückt (gemacht) werden (sollen). Wir haben es mit einer komplett kranken Gesellschaft zu tun, die von Irren geleitet wird. Warten wir einfach ab, was noch alles passieren wird.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Jochen

    “Das nennt sich alkoholsüchtig.”

    Danke für diese erste Nettigkeit, die ich nicht weiter erörtern werde.

    “Es führt zur Realitätsverweigerung.”

    Gut, dann ist die Erde eben doch ein Straflagerplanet.

    “Die Sinne sind verklärt. Es wird sich über den Geist eine Scheinwelt zurechtgebastelt. Sich selbst zu belügen, wird zur Normalität.”

    Jede Literatur ist eine über den Geist zuechtgebastelte Scheinwelt. Zeit also, dass man sie zur Sinnenklärung und Abschaffung der Lügen wider sich selbst abschafft.

    Dann wird nicht mehr so leicht einer verrückt gemacht, die Gesellschaft gesundet und entledigt sich der Irren.

    Das wird bestimmt eine wunderbare Welt, eine Schöne Neue Welt, jene, in der der Wein ebenso abgeschafft wie die Literatur. Das Singen muss natürlich auch abgeschafft werden, denn es mag verzücken; außerdem sind die meisten Liedtexte Dichtung. Die Malerei muss auch weg, denn kein Maler vermag die Realität genau so abzubilden, wie sie in Wirklichkeit. Die meisten Pinsler wollen das nicht einmal. Animierte Grafik, Photographie mit Bildbearbeitung: Weg damit! Wer Kindern Märchen erzählt, dem gehören sie, der Gesundung des Planeten halber, entzogen. Witze erzählen ist auch nicht mehr statthaft, denn die sind in aller Regel auch erfunden; außerdem ist es nicht gut, wenn der Mensch über nicht Reales lacht; das führt ebenfalls zur Realitätsverweigerung. Das sind natürlich nur die ersten notwendigen Maßnahmen. Auch Träumen, ob wach oder im Schlafe, ist nicht mehr zu dulden; jegliche Imagination ist schädlich…

    Du inspirierst mich geradezu zu einer Geschichte mit Dir als Hauptprotagonist, der dieses anthropophile Programm als Chef des Realitätsministeriums durchsetzt. Ich werde ihn aber mit Vornamen Jürg nennen, damit die Leute nicht denken, er sei in Wirklichkeit der Jochen.

  3. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Alle

    Ich überlege gerade, wie Jürgs Weltstaat ohne Irre heißen könnte. “Holosanien”? Quatsch: “Holosania” natürlich: Man spricht und schreibt nämlich nur noch Anglosan. Die paar tausend zur Beschreibung der Wirklichkeit notwendigen Wörter sind, vom Realitätsministerium zertifiziert, auf Holosanipedia eindeutig definiert. Wer andere verwendet, oder auch diese in abweichender, gar übertragener Bedeutung, also an sprachlicher Sanophobie (richtig: lingual Sanophobia) leidet, wird bis zur Behebung der Störung in eine Lingualklinik eingewiesen. In schweren Fällen auch in ein Lingual Reeducation Camp.
    Spätestens binnen zwei Generationen aber kommen solche Fälle kaum noch vor. Alles ist gut in Holosania. Jürg kann endlich einmal Urlaub machen.

  4. Jochen sagt:

    @ Magnus

    “Du inspirierst mich geradezu zu einer Geschichte mit Dir als Hauptprotagonist, der dieses anthropophile Programm als Chef des Realitätsministeriums durchsetzt.”

    Den Hauptprotagonist dieser Geschichte gibt es schon und diese Geschichte begann im Jahre Null. Damit wurde gleichzeitig auch eine neue Weltzeit geschaffen inklusive einer neuen Realität, in der bis heute die ganze Welt gefangen ist.

    “Das wird bestimmt eine wunderbare Welt, eine Schöne Neue Welt, jene, in der der Wein ebenso abgeschafft wie die Literatur.”

    Lukas 22:18 Denn ich sage euch, ich werde hinfort nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist.

    Seitdem ist auch die Literatur abgeschafft und durch zwei Balken ersetzt worden. Einen Balken haben die Leute vorm Kopf, am anderen sind sie aufgespießt. Und dass dieses System einfach irre ist, aber auch irre gut funktioniert, wer will das schon ersthaft bestreiten?

    Die Menschheit ist in eine Art Zeitloch gefallen, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.

    Markus 1:17 Und Jesus sprach zu ihnen: Folget mir nach, so will ich euch zu Menschenfischern machen!

    Etwa dreieinhalb Jahre später sagte er dann das:

    Matthäus 16:24 Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will jemand mir nachfolgen, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!

    Wären sie dieser Aufforderung nachgekommen, dann wäre nach dreieinhalb Jahren mit der Menschenfischerei Schluß gewesen. Doch der Mensch ist feige und er hängt an seinem bisschen Leben. Und genau das sind die Gründe dafür, dass sich das Christentum weltweit ausbreiten konnte, obwohl es so vom Begründer gar nicht gewollt war. Denn er sagte ja selbst, dass sein Reich nicht von dieser Welt hier wäre.

    Passend zum genannten Vers Lukas 22:18 oben, sagte Jesus:

    Markus 9:11 Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, es sind etliche unter denen, die hier stehen, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes mit Macht haben kommen sehen.

    Nach dreieinhalb Jahren war es so weit. Jesus hatte sein Reich begründet, indem er es zu einem Abschluß brachte. 1260 Tage – eine persönliche Weltzeit mit einem Anfang und einem Ende. Noch nicht einmal seine Jünger haben es begriffen. Die Christenheit wartet heute noch auf das kommende Reich Gottes. Sie warten sich regelrecht tot. Schlimmer noch, sie sind Tote, die meinen, sie könnten ihr bisschen Leben retten, weil sie Jesus nachfolgen indem sie ihm nicht nachfolgen. Denn sie sind zu feige ihm nachzufolgen wohin er ging und beten darum, dass es bei ihnen selbst dazu nicht kommen möge. So verhalten sie sich also im Grunde komplett entgegen der Lehre ihres Meisters, wie es auch schon die ersten Jünger taten.

    Einem Toten zu folgen, der in einem Reich abseits dieser Welt hier lebt, damit konnten die Jünger nichts anfangen und so mussten sie ihn in dieser Welt hier wieder auferstehen lassen. Sie sehen zum Himmel auf und sehen ihren Meister zur Rechten ihres Gottes stehen. Wie irre muss man sein, um etwas sehen zu können, was nicht existiert? Doch in unserer irren Welt wird sogar so etwas möglich. Die Realität wird einfach verklärt. Das ist der Mensch dieser Weltzeit sich einfach schuldig.

    Tote trinken Wein, Tote erfreuen sich an Literatur, Tote erfreuen sich an Singsang, an Malerei, an Märchen, an ihrem neuen technischen Spielzeug, an ihren Träumen von einer besseren Welt … in einer Welt, die im Grunde gar nicht existiert – und das eben ist die totale Realitätsverweigerung.

    Dass Jesus immer noch lebt, hat er nur den Toten und Realitätverweigerern dieser Weltzeit zu verdanken.

  5. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Jochen

    Nun, da wirst Du Jesus dann wohl selber aus dem Verkehre ziehen müssen.

  6. Thomas sagt:

    Meine Güte… kann der Käse (Tschieeeses) nicht mal außen vor gelassen werden? Ich müh mich hier regelmäßig mit den selben Götzenzitaten ab. Wenn ich sowas haben will, geh ich auf kreuz.nicht oder bibelTeVau.

  7. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Thomas

    Was soll ich sagen? Für Dich tut es mir schon leid…

    Inzwischen beschimpft mich ja selbst der Dude schon ziemlich wüst, wegen des Käsus’.

    Wunderte mich auch nicht, wenn Lisa hier nie mehr auftauchte, weil sie es ähnlich sieht wie er.

    Das eine wie das andere (für den Fall) darf mich aber nicht davon abschrecken zu sagen, was ich für notwendig und richtig halte. (Immerhin in diesem Strange habe ich mit dem Käso nicht angefangen.)

    Ich kann Dir noch nicht einmal versprechen, dass ich dazu nicht noch nachlegen werde.

    Ich gedenke aber bald mal wieder etwas zu verfassen, was Dich vielleicht auch interessieren könnte.

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