Die lange Leistungsschutznacht

Das neue Gesetz zum Leistungsschutz soll, ja, ich schrieb es schon, heute Abend debattiert werden, heute Abend, wenn man kurz nach halb drei noch zum Abend rechnet.

Im Ernst (sollte nicht an mehreren Orten 1. April sein): Die Debatte ist auf 2.35 bis 3.15 Uhr angesetzt.

Die Zukunft des deutschsprachigen Netzes soll also nach dem achten Pils, dem sechsten Prosecco, dem elften Kognak zerreichstagt werden.

Aparte Idee.

Ob es irgendwo ein Klo gibt, wo man auch mal in aller Ruhe einen Joint rauchen kann, bei so einer Nachtschicht?

Es ist eigentlich Wochenende (für Abgeordnete des Deutschen Bundestages gehört der Freitag normalerweise zum Wochenende), und man muss (naja, wohl nur die wenigsten – werden mehr als dreißig von sechshundert Hanseln da sein?) dann doch noch von halberder Dreie bis viertelder Viere so tun, wie als ob man was jobbte: das kann einen schon killen.

Man weiß zwar, wie üblich, kaum, worum es genau geht, so dass nicht allzuviel von einem erwartet wird, aber man hat, da irgendwie zuständig geworden und deshalb zu dieser Scheißzeit inhäusig, am Rande mitbekommen, dass es mit diesem blöden Gesetz noch einen ziemlichen Ärger geben könnte, dass sich schon wieder eine ganze Menge Leute, die ebensowenig wissen können, wie man selber, wie es sich in der Praxis auswirken werde, darüber aufregen.

Was regen sich die Leute über ungelegte Eier auf?

Man döst sich also in seine Bank, stellt eine Frage, damit eine gestellt ist (man weiß ja nie), bringt das ganze Trauerspiel hinter sich.

Hinten oben in den Rängen tanzen, unsichtbar, die Geister unzähliger Abmahnkanzleien zur angerichteten Metzelsuppe.

Doch am anderen – demselben – Morgenmittag folgt der Schrecken: Auf Google News erscheint zum Thema kein einziger großer Presseverlag, nur Spinner und abgedrehte Blogger.

Es sieht gerade so aus, wie als ob man für seine Nachtschicht nirgend gelobt worden wäre.

Erschreckt stellt man gar fest, dass Google die automatische Eingabeergänzung für Dreutscher Bundestag eingestellt hat; falsch eingegeben ist flasch eingegeben. Man versucht es mit Jurstizministerium: wieder keine Hilfe.

So langsam wird man paranoid, man nimmt sein Google-Schmerzphon, den eigenen Namen zu googeln, und was man erhält, das ist erschröcklich.

Außer dem Wikipedia-Eintrag – noch vor diesem und hinter diesem – rangieren lauter Artikelchen von irgendwelchen Schülerzeitungen und Afterblättchen, die einen irgendwann irgendwo, nicht selten kompromittierend, einmal erwähnt haben.

Jetzt bricht der Schweiß aus.

Man probiert die Bildersuche. O Pest o Cholera! – Ja, es gibt Bilder, aber nur die beschissensten.

O weh, und was ist das? “Chilling effects”! Leider mussten 33 Einträge von der Seite entfernt werden.

Wo verdammt ist meine Heimseite? Wo ist mein Wahlkreisbüro? Seite ELF? Ja lüg ich denn! So eine Schweinebackenversammlung! (Ein Doppelter ist fällig.)

Das ist verdammt nochmal ein perfider Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat! Diese Saubeutel listen einfach, wie sie wollen! Unerhört! Frechheit! Wo kommen wir denn da hin!

Tja, wir wissen es noch nicht. Wir haben erst Freitag Nachmittag.

(Vielleicht weiß man auf neunetz.com schon mehr. Die Ereignisse überschlagen sich.)

Hier noch der Wahnsinn direkt:

www.focus.de/politik/deutschland/tid-28334/marathon-ticker-zum-bundestag-irre-marathon-sitzung-voodoo-oekonomie-im-bundestag_aid_870937.html

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2 Antworten zu “Die lange Leistungsschutznacht”

  1. Dude sagt:

    Ob die wohl pünktlich beginnen?

    Letze Nacht wurde in Bern übrigens eine Sitzung unterbrochen, damit die Anwesenden noch den letzten Zug erwischen. Ich hab mich fast totgelacht, als ich das im 10vor10 hörte…

    Der totale Irrsinn kumuliert sich weiter.

    Ich kann die ganze Welt überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Was alles so abläuft wäre eine Beleidigung für den Begriff “lächerlich”.

    Es müsste dafür eigentlich ein Begriff erfunden werden. Schundreich geht schon in die richtige Richtung, vermag aber das Ausmass des Irrsinns noch nicht befriedigend zu beschreiben.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Zur adäquaten Beschreibung der Vorgänge und Zustände mögen wir wohl noch ein paar bislang nicht geläufige Wörter brauchen. Ich arbeite daran.

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