Kosmospekulanten

Ich bitte vorsorglich um Verzeihung dafür, dass ich mich aus aktuellem Anlasse noch einmal der Teilchenphysikerei widme, da mir gerade die psychische Standfestigkeit dafür fehlt, die Superkriminellen rund um den ESM-Vertrag sowie denselben angemessen zu würdigen.

Also: Was haben wir, als Laien, von den Sensationsmeldungen der letzten Tage, das “Higgs-Boson” und die “Dunkle Materie” betreffend?

Ersteres wurde vor vierzig Jahren postuliert, weil die ganze moderne theoretische Physik ihr Gebäude nicht halten könnte, gäbe es dieses nicht, da sonst nicht zu erklären wäre, weshalb irgendetwas eine Masse hat.

Jeder vernünftige Wissenschaftler kommt angesichts einer derartigen Forderung zumindest irgendwann mal auf die Idee, dass man sich komplett verrannt haben könnte.

Nun, es kommt noch dicker, behaupten aber dieselben Leute, die unbedingt dieses massevermittelnde Teilchen brauchen, um die bekannte Materie modellgemäß erklären zu können, dass diese nur 5 % derer insgesamt umfasse, während der Rest, jawohl, aus einer ebenfalls nie nachgewiesenen “Dunklen Materie” bestehen müsse.

Letztere wurde, ich wiederhole es absichtlich, ebenfalls nie nachgewiesen, aber wiederum hinzupostuliert, damit die bisherigen Annahmen (die gemessene Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien usw. ins Bild einpassen zu können) irgendwie zu rechtfertigen seien.

Und, hier “wirkten” wohl nicht die Heiligen Higgs-Bosonen, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit noch ganz andere Teilchen.

Das muss man sich mal in Ruhe reintun: Von 5 % wissen sie (laut ihrer Theorie) nichts Bestimmtes, 95 % vermuten sie sich dann noch dazu, weil es sonst, selbst wenn das zu den 5 % entscheidend Dazuvermutete endlich nachgewiesen wäre, immer noch nicht passte.

Da muss man schon nachdenken, um noch einen Vergleich für derlei zu finden.

Ich probiere es – nach einem kleinen, Verschnaufeinschube – mal.

Von einem Zwanzigstel einer Sache weiß ich nur, dass mir der entscheidende Schlüssel für alles fehlt, was ich mir bisher ausgedacht habe.

Neunzehn Zwanzigstel muss ich mir, selbst für den Fall, dass ich diesen finde, trotzdem noch als irgendwie irgendwo und irgendanders dazudenken, damit meine Überlegungen und Berechnungen fußen können.

Normalerweise schickt man solche Leute in Behandlung, am besten zum Unkrautjäten auf den Acker.

Ich stelle mir mal vor, ich hätte meinem verehrten Professor Pötters vorgetragen, dass ich für 5 % der Wörter eine hervorragende Theorie hätte, zu der mir aber leider noch das allentscheidende Bindeglied fehle. Zudem, dass, damit meine Theorie fuße, ich davon ausgehen müsse, dass wir 95 % der Wörter, die es gibt, noch gar nicht kennten, sie aber zwingend da sein müssten, allerdings unter ganz anderen Gesetzen stehend, damit meine geniale Theorie funktionieren könne. Weshalb sie mit Sicherheit auch da seien.

“Ihr schwäbischer Humor und Ihre Frechheit und auch Ihre Originalität in allen Ehren – oder haben Sie was getrunken? -, Herr Göller, aber wir sind hier in einem sprachwissenschaftlichen Hauptseminar und nicht auf dem Kölschen Karneval oder im Kasperlestheater. So sehr ich Sie schätze: Wenn Sie hier noch einmal mit einem derartigen Kalauer daherkommen, kann ich zu meinem tiefen Bedauern nicht umhin, sie von dieser Veranstaltung mit sofortiger Wirkung auszuschließen.
Im übrigen bin ich gerade reichlich enttäuscht von Ihnen, denn bisher hielt ich Sie für einen begabten Studenten, der unsere Wissenschaft am Grunde ernst nimmt.”

So, oder ähnlich, hätte sich ein Wilhelm Pötters wohl geäußert. Unmissverständlich.

Wahrscheinlich hätte er mir gar noch eine also saftige wie obligatorische Bußhausaufgabe aufgebrummt.

Nun gut, die theoretischen Physiker sind natürlich keine solch kleinen, irrelevanten Lallwürstle wie wir Sprachwissenschaftler, da die ja Gott auf den Fersen, wie man meint, aber Mindeststandards des wissenschaftlichen Denkens sollten eigentlich auch für jene gelten.

Wenigstens in dem Sinne, dass man die überaus gewagten Thesen, die man so lange und derart eifersüchtig verfolgt hat, zwar nicht unbedingt gleich ganz aufgibt, sich aber doch immerhin ernstlich einer gründlichen Fehlersuche befleißigt und, vor allem, auch endlich mal andere Spuren, Möglichkeiten mit einem mindestens vergleichbaren Impetus verfolgt.

Dies gilt selbst dann, wenn diese Kosmospekulanten mit ihren Theorien schließlich recht behalten sollten.

Was ich angesichts ihrer wissenschaftlichen Methodik allerdings zu bezweifeln wage.

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10 Antworten zu “Kosmospekulanten”

  1. haschmech sagt:

    “Da muss man schon nachdenken, um noch einen Vergleich für derlei zu finden.”

    Als Vergleich kann da eigentlich nur noch die Religion bzw. der Glaube herangezogen werden. Wo kommen wir her, was ist der wirkliche Grund unseres Daseins und wo gehen wir hin, wenn unser Leben auf diesem Planeten wieder vorbei ist?

    5 % an Antworten dazu finden wir vielleicht in der Bibel. Diese 5 % machen die Religion aus. Die restlichen 95 % bestehen aus dem Glauben daran, dass das was in der Bibel steht, die Wahrheit ist. Seit dem Höhepunkt und zugleich dem Ausgangspunkt der christlichen Weltreligion, also dem Tag, wo die 5 % Religion in Form der lebendigen Wahrheit für jeden sichtbar blutig geschlagen und angenagelt an einem Kreuz (wörtl. Pfahl) ihr Leben aushauchte, wird den Menschen versucht einzureden, dass dies noch nicht alles gewesen wäre. 5 % an Leben wurde ausgehaucht und dafür wurden aber drei Tage später 95 % an dunkler Materie zusammengepreßt, so dass ein glänzender Morgenstern wieder mit Leben erfüllt wurde. Seitdem wird von vielen Seiten alles unternommen, damit die ganze Welt glaubt, dass aus dem Tod das Leben kommen kann. Dabei haben wir aus allem was sonst in der Welt geschieht immer zu 100 % die Bestätigung dafür bekommen, dass zuerst etwas ins Leben kommt und darauf dann der Tod folgt und eben nicht anders herum.
    Gäbe es die Schrift (die Bibel) nicht, dann hätten die Menschen jenen, den sie damals kreuzigten, bestimmt längst wieder vergessen. Durch das Wort wird Christus am Leben erhalten. Näme man den Menschen die Bibel weg, was würde dann passieren? Etwa das, was einem Hirntoten passiert, der nur noch durch die Kraft einer Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten wird?
    Ohne die Bibel wüßte man nur aus säkularen Quellen, dass es vor 2000 Jahren mal einen weisen Mann gab, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden ist. Es ist auch in dem Zusammenhang von einem gefährlichen Aberglauben die Rede. So wird angeblich die Sache mit der Auferstehung aus den Toten umschrieben. Ein Raum voller dunkler Materie, die nur durch die Schrift zu 5 % erhellt werden kann, denn es ist niemand mehr da von denen, die es damals direkt mitbekommen haben und die man fragen könnte, ob das auch alles wirklich den Tatsachen entspricht. Was fehlt, sind so etwas wie diese von den Wissenschaftlern sogenannten “Gottesteilchen”. Die Wissenschaftler suchen in der Materie danach und die Gläubigen suchen außerhalb der Materie danach. Manchmal meinen beide Gruppen, sie hätten gefunden wonach sie gesucht haben. Doch bleibt alles am Ende zu 100 % weiterhin fraglich.

    Wo Gläubige nicht mit ihrem Verstand weiterkommen, ist für sie Gott. Ein Betreiber eines Bibelblogs formulierte es so:

    “Wir Menschen können Gott nicht vollständig erfassen, sonst wäre Er nicht Gott. Und dass Gott Mensch geworden ist, völliger Mensch wie Du und ich, und doch immer Gott geblieben ist, wer könnte das verstehen? In der Krippe in Bethlehem lag ein ganz kleines Kind und doch war dies der ewige Gott, der das Weltall erhält und auch in diesem Augenblick erhielt! Das ist groß und für uns Menschen unbegreiflich.”

    Wissenschaftler hingegen suchen den Ursprung allen Seins nicht in der Größe, sondern in den kleinsten Teilchen. Dafür ziehen sie aber Geld an, wie ein schwarzes Loch. Dieses Geld ist dann am Ende ihres Suchens zu 100 % verschwunden. Der Welt und den Steuerzahlern geben sie dafür die Nachricht: “Wir ham’s g’funden!”
    Gefunden haben sie ein Nichts aus Teilchen im Nichts. Das aber malen sie schön bunt an und zeigen es uns als Grafik und sagen dazu: “Seht ihr, das ist das, was ihr weder sehen noch begreifen könnt, was aber letztendlich alles zusammen hält”.
    Und sie hoffen, dass die Leute es ihnen glauben. Denn sie wollen ja in der Zukunft noch mehr Geld für ihren Unsinn verbraten können.

    Wie gut, dass es das Wort gibt. So lässt sich am besten ausdrücken, was man gefunden zu haben meint, obwohl es sich vielleicht nie dort aufgehalten haben mag, wo es gesucht wurde.

    Versuchen sie doch auch einmal in einen Regenbogen zu beißen, vielleicht klappt es ja. Ich gebe ihnen auch einen Tipp. Versuchen sie es mittels Worten.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ haschmech

    Sehr, sehr interessant!

    Ich bin ja, wie Du weißt, persönlich der Ansicht, dass Jesus “nur” ein weiser Mann war. (Allerdings nicht, wenn er als Sproß des Meuchelmörders David den Alten Bund mit jenem Scheusal namens Jahwe tatsächlich erneuern wollte. Von solchen – egal ob reale oder erfundene Kraturen – kann man sich nur abwenden.)

    Gleichwohl finde ich Deine Interpretationen immer spannender und anregender. Und darüber hinaus ist das obige fulminant geschrieben.

    Zumal die letzten beiden Absätze sind geistig’ Gold.

    Danke!

  3. Dude sagt:

    @haschmech

    “Näme man den Menschen die Bibel weg, was würde dann passieren?”

    Schon mal was von den vedischen Schriften gehört? ;-)

    Wenn man mal die Puranas etwas studiert, erkennt man bald, dass die alte vedische Hochkultur unbeschreiblich viel mehr Ahnung vom Aufbau des Kosmos und dessen Struktur hatte, als es unsere Geldverpulvererwissenschaftler – oder die Bibelkreationisten – auch nur im phantasievollsten Traume ersinnen könnten.

    Es gibt da übrigens sogar Anleitungen für den Bau von Antigravitationsantrieben, das nur nebenbei…

    :-)

    Ps. Der Ausdruck “Gottesteilchen” ist schon der pure Hirnriss an sich, der das Unverständnis über den Aufbau des multidimensionalen Kosmos deutlichst ersichtlich werden lässt, denn Gott und Teilchen ist ein Widerspruch in sich, da GottVaterMutter, in ihrerseiner wahrhaftigen Natur, jenseits von materieller Erscheinung, oder einem Zeitstrang, reines transzendentes Bewusstsein voller Wille und Weisheit in reiner bedingungsloser Liebe ist.

    Wir sind also Selbst Gott – zumindest qualitativ! Nur haben das die meisten vergessen, oder besser gesagt: Es wurde ihnen über die Jahrtausende durch die ganzen Irrlehren und verbreiteten Halbwahrheiten vergessen gemacht! Das hat System! Denn ansonsten könnte der bösartige Ordo ab Chao-Plan der Herren der Welt niemals aufgehen…

    Lest mal Armin Risi.
    Kurzfassung: http://armin-risi.ch/Artikel/Vedisch.html
    Das Buch: http://www.scribd.com/doc/46156386/Risi-Armin-Gott-und-die-Gotter-Das-Mysterienwissen-der-vedischen-Hochkultur

  4. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Ich greife jetzt, obwohl Du haschmech ansprachst, mal wieder ungefragt ein.

    Was die Veden anlangt, so bin ich dazu noch viel schwächer auf der Brust als gar bezüglich der Bibel: Ich habe fast nichts davon gelesen.

    Aber viel davon gehört, was mich eben davon abhielt, womöglich zu meinem Schlechten und dummerweise, nämlich jede Menge wirres Zeug, mehr oder weniger verzückt mit verdrehten Augen vorgetragen.

    Worauf ich jetzt aber eigentlich hinauswill: Seit etwa 25 Jahren “verfolgen” mich Berichte von irgendwelchen Antigravitations-, Tachyonen-, allerlei Wundermaschinen, die man schon vor Jahrtausenden oder wenigstens vor 80 Jahren schon gekannt bzw. entwickelt gehabt habe, nur, merkwürdigerweise, hat von all jenen, die das zu wissen glauben, nicht kein einer nicht keine eine, um sie mir mal vorzuführen.

    Hat die ganze Menschheit etwa seit Jahrtausenden einen Propf im Kopf?

    Kann sein. Ich meine jedenfalls zu wissen, dass ich nie einen Haunebu gebaut habe.

    Was aber egal wäre, da ich ja kein Raumfahrtingenieur bin und das deshalb auch nicht können muss.

    Ein bisschen denken indes habe ich gelernt.

    Entweder, also, ist es doch der Pfropf, oder alles ist Mumpitz.

    Wie ich es schon sagte: Ich rede mit jedem Außer- oder Unterirdischen, wenn er botmäßig antritt.

    Ich weiß natürlich auch um all die merkwürdigen Dinge in Meso- wie Südamerika, die Ägypterei, die Jesaja-Gerüchte um Jahwe, jene altindisch gegründeten Behauptungen, den Pyramidengürtel usw.

    Ich will aber, das ist meine wissenschaftliche Art, irgendwann mal von all den Behauptern Butter bei die Fische.

    Immerzu, so die Behaupter, werde irgendwelche Supertechnik vor uns verborgen gehalten.

    Wie soll das denn auf Dauer gehen, wenn es doch so viele Hinweise dafür gibt?

    Mir gehen solche Leute immer mehr auf den Sack.

    Die sollen mal liefern, oder ansonsten nicht von wesentlichen Dingen ablenken.

    Ich arbeite auch jederzeit an einem entsprechenden Projekt mit, wofern meine Denkkraft dafür nützlich erscheinen sollte.

    Bisher hat mich aber noch keiner gefragt.

    Außerdem haben “die” (wer?) das Gewünschte ja angeblich eh schon lange.

    Also wäre ich dafür, in diesem Falle, gnadenlos und ganz einfach eine Patentrechtsverletzung zu begehen, ihnen ihr das uns vorenthaltene Wissen schlicht zu klauen.

    Ich muss nicht alles selber nochmal erfinden.

    So, jedoch, wie die Dinge zu stehen scheinen, entwickle ich wahrscheinlich in meinem Stuttgarter Kral ganz allein schneller einen Hyperwarpantrieb, als all die sakralen Daherbehaupter.

  5. Dude sagt:

    @Magnus

    Du liest aber schnell.. das Buch hat ca. 500 Seiten. Ich hab dafür etwa drei Monate gebraucht.

  6. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Ich habe nirgends gesagt, dass ich das Buch gelesen hätte.

  7. Dude sagt:

    @Magnus

    Ich weiss. ;-)

  8. Rainer Grzybowski sagt:

    @ Dude

    “Der Ausdruck “Gottesteilchen” ist schon der pure Hirnriss an sich”

    Ursprünglich sollte es ja auch “goddamn particle” heißen…

  9. Dude sagt:

    @Rainer

    Ja, ich weiss, und finde, der ursprüngliche Ausdruck wäre definitiv wesentlich treffender, um jenen Hirnriss adäquat zu beschreiben. ;-)

  10. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Rainer & Dude

    Ist doch lustig, wenn das Gottesteilchen der Physiker gottverdammt ist.

    Ich weiß ja, dass Ihr zwei etwas mehr mit Gott am Hut habt als ich, will Eure religiösen Gefühle damit auch keineswegs verletzen, aber ich finde das zum Schreien komisch.

    Außerdem, der Gott, der gemeinhin bekannt ist, von dem solche Fricken in der Regel ausgehen, hat ja ständig damit zu tun, von ihm geschaffene Dinge zu verdammen.

    Seit er die Welt geschaffen, scheint ihm kaum noch etwas anderes einzufallen.

    Der Schuster geht barfuß, der Schlosser hat seinen Hammer weggeworfen, und der Schreiner nutet ins Nichts.

    Da der theoretische Teilchenphysiker irgendwo zwischen dem steinlosen Steinmetzen und jenem seine eigene Schöpfung verfluchenden Gotte zu stehen scheint, fehlt bloß noch der Freimaurer, dem der Demiurg nichtmal einen Backstein auf den Hals gesetzt.

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