Die Piraten haben es geschafft. Sie halten Netzfreiheit und Meinungsfreiheit jetzt sauber getrennt. Erstere ist als absolut anzustreben, wofür es aber letzterer nicht bedarf. Denn es gibt Meinungen, die kein anständiger Mensch braucht, deshalb zurecht unter Strafe stehen, die daher recht eigentlich betrachtet auch gar keine mehr sind, weshalb logischerweise trotzdem totale Meinungsfreiheit herrscht. Ich habe von Anfang an keine Sekunde lang daran geglaubt, dass die Piraten für Meinungsfreiheit einstehen würden. Als viel zu korrupt und feige dafür erschien mir der zusammengewürfelte Haufen, seit er eine nennenswerte, betrachtenswerte Größe erreichte. Da ist es fast nur noch eine Randnotiz, dass man meint, Künstlern gehe es besser, wenn man sie endlich mal nicht mehr zuwenig bezahlt, nämlich gerechterweise überhaupt nicht. So kann sich keiner mehr beklagen. Jeder Künstler kann nämlich ab da von der vom entfesselten kreativen Schwarmgeiste zusätzlich erzeugten Abwärme leben. Endlich kann er sich ganz seiner Arbeit widmen und muss nicht mehr ans Geld denken. Der normale Pirat hat auch keine Kinder. Deshalb gibt er seine gleich in eine Nita (neol. aus “Nerd” u. “Kita”), wo der virtuelle Nachwuchs von einem koreanischen Roboter mit Tee versorgt wird, während er am Rechner Netspeak lernt. Dort gibt es zum Mittagessen Kulturfladen und nicht Junge noch Mädchen. Das Leben ist insgesamt klar geordnet. Der Mensch surft und schläft. Letzterem die Befriedigung sonstiger physiologischer Bedürfnisse hinzugerechnet, im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Am Abend hat sich jeder so viel heruntergeladen, dass er rechtschaffen müde ist. So ist der Schlaf traumlos. Und wenn Israel den Iran überfällt, macht das nix, denn da hat man einfach keine Meinung zu. Keine Lust zu, eine Meinung zu haben. Meinungen braucht man nämlich insgesamt nur noch, wenn man gerade Lust dazu hat. Mit den unlustigen Sachen können sich andere herumschlagen, der Pirat braucht sie nicht. Wenn der Pirat überhaupt nach etwas strebt, so ist es der sinnfreie Nutzen. Denn aller Nutzen, der in einem vernünftigen Zusammenhange entsteht, ist ihm zuwider, da er seine Userfreiheit einschränkt. Jeder sinnvolle Nutzen riecht ihm nach einer Kampagne zur Indoktrination seiner Schwarmintelligenz, weshalb er alle Orte meidet, wo so etwas vorkommt. Dorthin schmeißt er allenfalls mal digitale Scheiße. Von eigener Art ist schließlich auch die virtuelle Seebestattung, wenn der Pirat ans Ende seiner Fahrenszeit gelangt. Freibeuterkameraden, die gerade Zeit dazu haben, zwitschern ihm bis zu 140 Zeichen hinterher. Das war’s. Mehr braucht er in den ewigen Fischgründen nicht. (Verdiente Kapitäne bekommen auch mal ein neues Tablet als Grabbeigabe.) Ja, es ist ein beschauliches Leben mit klaren Strukturen, das dem Piraten winkt. Die Linke treibt ihm das Geld ein, die Grünen bauen den Ökostrom für den Rechner an, die FDP gibt den Spekulanten und Fabrikanten was, die SPD kümmert sich um die aussterbende Fraktion der nichtvirtuellen Rentner, und die Union lässt die Soldaten marschieren, wenn mal wieder ein Krieg ist, der einen nichts angeht. Kein Wunder, dass so viele gut Ausgebildete und Intellektuelle auf die Piraten setzen.
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Tags: Iranlüge, Meinungsfreiheit, Piraten
Sehr schön beschrieben und deshalb hat dieser Text gleich die Twttertaste verdient. Uns ist aber zusätzlich aufgefallen, die Piraten haben eine wichtige Aufgabe, die wird von den Medien vorgegeben.
http://rundertischdgf.wordpress.com/2012/04/30/nach-feierabend-verkleidet-sich-der-regierungsdirektor-als-pirat/