Piraten auf großer Bühne

Wahlrecht ab Zwölf, Einheitsschule, Auflösung der Klassenverbände, alles für alle, alle für keinen, Stimmrechtsverleih, flüssige Demokratie: so viel Fordern war nie.

Da werden die Grünen blass um die Nase, indem sie gewahren müssen, dass die Piraten ihnen ihre Hauptklientel der Träumer, Selbstgerechten, Infanten und Hedonisten streitig macht, mit dem denkbar einfachsten Mittel, nämlich jenem, einfach herumzukrakeelen, als pseudoanarchistische (wer für volle Meinungsfreiheit eintritt, büßt) Chaotentruppe aufzutreten, die ganz offen dazu steht, nichts vom Durchdenken von Konzepten zu halten, dafür umso mehr von Spaß und Radau, dabei selbstgerecht, die geistige Avantgarde des Netzzeitalters als Vertreter der spontanen Eselei, diffus liberal bis libertär, gleichzeitig Alles-ist-da-muss-nur-verteilt-werden-sozialistisch, hinreichend links und proletarisch in ihrem Gebaren, dass auch die Klientel der Linken betroffen, selbst jene vom erbärmlichen Rest der Restparteien.

Man sagt ganz einfach: “Mehr Unfug anrichten, als die alten ewiggestrigen Säcke, die noch nichtmal wissen, was ein Proxy-Server ist, können wir gar nicht. Egal, wie sehr wir uns anstrengen.”

Das kommt an beim Publiko, das eine Transposition der Realität derart herbeisehnt, dass es dafür alle Vernunft fahren lässt, an die Verkündiger jener nicht einmal mehr Mindestmaßstäbe der Urteilskraft anlegt, ein geradezu esoterisches Heilsuchen, über die Juxtaposition von tatsächlicher visionärer Kraft und Wirklichkeitsflucht stets beigemischt, gut an, jeder ein Piratomobil, mal hier, mal dort, mal irgendwie und irgendwo, jeder ein Teilchen der dissoziativ entropischen Schwärmkräfte, sozusagen immerhin mal etwer, Vieh als Hirtenversammlung.

Abgesehen von dieser dem Schauspiele inhärenten Tragikomik aber kann ich nicht mit Wohlwollen betrachten, wie hier notwendige Gedanken und Konzepte zwischen den Infanten und den Altersschwachen der Altparteien zerrieben werden; keiner tritt offen und ehrlich in einen Dialog ein, allein schon, was eine Reform des Urheberrechts anlangt; die einen schreien “Irgendwie!”, und die anderen “Irgendwie Nie!”, und das war’s.

Der genialste Trick, der den Piraten einfiel, um ins Geschäft zu kommen, war jener, sich das einzigartige Privileg zu nehmen, sich ohne Ansehensverlust jederzeit für inkompetent bzw. nicht zuständig erklären zu können, wenn sie zu so unwesentlichen Politikfeldern wie Krieg und Frieden, Eurorettung, Islam usw. befragt werden.

Wo man früher stolz war auf “Realpolitik” (der Begriff fand gar als Lehnwort ins Englische), da ist man heute kähl aufgekratzt ob eigener, konsequenter Irrealpolitik.

Realsatire als politisch wirksames Agens. Nerds als Tonangeber. Hybris als Heilmittel. Das Download-Syndrom oder Kopierdemenzsyndrom. Planlosigkeit als Ausweis edler Gesinnung und höherer Sendung.

Nicht schlecht. Da spart sich der Schwabe die Theaterkarte.

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5 Antworten zu “Piraten auf großer Bühne”

  1. Dude sagt:

    Jetzt bin ich allmählich überzeugt, dass diese Skepsis den 3.14-ratten gegenüber durchaus angebracht ist…
    http://www.radio-utopie.de/2012/04/11/eu-lobby-versucht-grundung-einer-eu-piratenpartei/

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Schön, dass Du siehst, was ist.

  3. Lesezeichen sagt:

    Der Rabe! Das Schaf! HUUURZ!!!

    Gerade habe ich einen Teil der gestrigen Sendung login gesehen, wo Volker Beck von den Grünen gegen Christopher Lauer diskutiert hat.

    Ich konnte es nicht verhindern, aber mir schoss Hape Kerkeling mit seinem unvergesslichen HURZ-Auftritt ins Gedächtnis und nun bin ich davon überzeugt, dass die Piraten eine gigantische Aktion einer versteckten Kamera sind und irgendwann jemand auftritt und nur sagt: War nur ein Spiel. Wir wollten nur mal sehen, wie weit wir damit kommen.

    Lauer sieht auch ständig so aus, als müsse er sich das Lachen verkneifen. Immer wenn er grinsen muss, dann rollt er mit den Augen und guckt zur Decke. “Das weiß ich noch nicht”, “da muss ich nochmal nachfragen” usw….

    HURZ! HURZ! HURZ! Ein Lurch lugt hervor :)))))

    amüsiert

    das Lesezeichen

  4. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lesezeichen

    Ich habe mich auch schon ein paarmal gefragt, ob ich mich nicht einmal herzhaft zwacken solle, zu erkennen, dass ich träumte.

    Aber wart’s ab, die sind erst in der Aufwärmphase. Es kommt garantiert noch greller.

    Als nächstes drehe ich ein Piraten-Video. Immerhin kann ich mit einem Gesicht aufwarten, das keine besondere Maske braucht, um gefechtserprobt zu wirken. Sobald ich mir eine eineinhalbfache Augenklappe und ein rotschwarzes Hirnverbindetuch zugeschnitten habe, werden mir wohl auch die richtigen Worte für meine Enterhakengesellen einfallen.

  5. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lesezeichen

    Dieser Irrwitz ist im übertragenen Sinne so etwas wie ein Buschfeuer, oder, um besser im Bilde zu bleiben, eine Seeplage. Die Gierigen, das Gesindel, die Träumer, auch jene, die hier den Weg zur totalen Desillusion bereiten, werden am Gestade noch Schäume aufwerfen, alswie sie Fischers freigelassener Butt auftürmte, ihn vom Papstkaiser wieder zu seinem habsüchtigen Weibe in seinen stinkenden Topf zu setzen.

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