Ich will jetzt mal etwas sehr Wichtiges ansprechen. Ich rede so leise und sanft und unaufhörlich, dass mich kein anständiger Mensch damitten unterbrechen darf. Man darf nur Redner unterbrechen, die laut und deutlich reden und auch mal eine Pause machen. Ich bin aber nicht laut und deutlich und Pausen mache ich auch nicht. Denn ich habe allerhand moralische Forderungen, was den anständigen Umgang unter Menschen anlangt. Zunächst einmal müssen sich alle Menschen gegenseitig respektieren. Und wir brauchen ein gemeinsames Wertefundament, ein Band, das uns alle zusammenhält. Ohne ein solches Wertefundament werden wir nicht weiterkommen. Wir müssen uns also zunächst fragen, was für eine Gesellschaft wir eigentlich wollen. Wie wir Vertrauen aufbauen. In uns und unsere Kraft. Unsere Kraft besteht darin, dass wir Vertrauen aufbauen. Mit diesem Vertrauen kommen wir weiter. Nur dieses Vertrauen kann uns tragen. Nur dieses Vertrauen kann uns frei machen. Daran gilt es zu arbeiten. Alles, was wir tun, ergibt letztlich keinen Sinn ohne dieses Vertrauen in unsere Gemeinschaftlichkeit. Und erst unsere auf diesem Vertrauen aufgebaute Gemeinschaftlichkeit macht uns stark. Wir dürfen in der Vertrauensarbeit nie nachlassen. Vertrauensarbeit muss mehr als nur eine eingeübte Geste sein, eine hohle Phrase. Sie kann nur wirken, wenn sie wahrhaftig vom Innen kommt und aus freien Stücken ausgeübt wird. Zur Vertrauensarbeit tritt selbstverständlich auch die Erinnerungsarbeit. Die Erinnerungsarbeit ist wichtig, weil sonst kein echtes Vertrauen gedeihen kann. Ohne Gedächtnis kein Vertrauen. Ohne Vertrauen keine Gemeinschaft. Ohne Gemeinschaft keine Zukunft. Und ohne Vertrauen in eine gemeinsame Zukunft kein Vertrauen. Unser gemeinsames Wertefundament kann also nur das Vertrauen in unsere Zukunft sein. Anders geht es nicht. Nur Menschen, die sich gegenseitig wirklich vertrauen, können gemeinsam etwas bewirken. Man bewirkt nur dann etwas, wenn man zusammensteht. Zusammenstehen heißt Teilhaben. Teilhaben am gemeinsamen Ganzen. Teilhaben am gemeinsamen Ganzen gibt uns Selbstwert und Auftrieb. Daraus wächst das Ganze. Das Ganze sind wir alle, wir selbst. So werden wir unangreifbar. So überwinden wir alle Schranken. So werden wir frei. So lassen wir alle alten Begrenzungen hinter uns. So werden wir selbstbestimmte Menschen. So kann uns niemand und nichts mehr schrecken. Wir sind angstfrei. Denn wir leben Gemeinschaft und Vertrauen. Unerschütterliches Vertrauen. Unerschütterliche Gemeinschaft. Endlich Freiheit! Endlich Vertrauen! Liebe! Aufrichtigkeit! Gelebte, mitfühlende Vernunft! Festigkeit! Ruhe! – Ja, wir stehen erst am Anfang. Aber dies ist unser Weg. Wir gehen ihn unbeirrbar. Durch Täler und über Berge. Er führt uns alle ans Ziel.
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Tags: Vom Gesindel
Julian Heun: “Seifenblasenphrasen”
http://www.youtube.com/watch?v=BA-g9Irk6Lo
:-)
@ Dude
Danke für den Link!
Der Text ist klasse. Der Vortrag ist gut, doch hätte ich ihn mir noch deutlich besser, klarer, leiser und gewaltiger, sprachlich sauberer gewünscht.
Nicht dass ich damit sagen wollte, dass ich es selber entscheidend besser könnte. (Bezüglich Intonation, Wechsel der Tonspannung, der Tonhöhe, der Lautstärke und Pausensetzung vielleicht schon: Allein, mein schwäbischer Akzent bliebe höchstwahrscheinlich störend.) Aber ein Jan Josef Liefers z.B. vermöchte das höchstwahrscheinlich.
Geradezu ein Text für einen Vortragswettbewerb.
Lieber Magnus
Ich vermutete schon die Geschichte wird Dir als Sprachliebhaber sehr gefallen, da solcherlei in der heutigen Zeit doch sehr rar geworden ist, und hatte mir bereits gedacht, dass die Art des Vortrags wohl einige Notenabzüge Deinerseits zur Folge haben wird. :-)
Meine Vermutung ist, Du würdest ihn tatsächlich besser darlegen, als im Clip hier, aber leider habe ich nur diese Version gefunden.
Ich kann Dir aber verraten, dass er das viel besser kann – die damalige TV-Version die ich sah, war etwas vom besten was ich bisher von Slam Poeten geboten bekam, sozusagen fehlerfrei dargelegt, alles stimmte -, und an das Highlight würdest wohl selbst Du nicht mehr herankommen!
Er hat dann ein oder zwei Jahre später mit ner anderen Nummer den grössten Slam Poetry Wettbewerb Deutschlands gewonnen. ;-)
Es bleibt nur zu hoffen, dass diese Kunstform weiterhin auf den Kleinkunstbühnen bleibt, die Begründung dazu erspar ich mir..
Ps. Der lustige Zufall von der eigentümlichen Pässlichkeit zwischen Deiner hiesigen Geschichte und der Rede von eurem neuen Bundesdepp, hat mich fast vom Stuhl gehauen vor lachen. :-)
@ Dude
Anscheinend gibt es die morphogenetischen Felder eben doch.
Was nicht heißt, dass ich all derer hold wäre.
@Magnus
Wir selbst bilden sie und emfangen sie auch…
…die Frage ist mehr, die individuelle Schärfe der Emotio und Ratio, also des Gefühls und des Geistes.
Ist zwischen diesen beiden eine harmonische Symbiose hergestellt, lässt sich ziemlich viel anstellen mit diesen Feldern… ;-)
Es ist im Grund ganz ähnlich wie Bücher lesen (oder schreiben ;-)), nur bietet das Medium ein paar funktionen mehr als ein Buch. :-D
Aber ein Zufall war es auf keinen Fall! Das Timing war dafür einfach zu perfekt.
Also war es wohl einfach ein morphogenetischer Zu-Fall.