Alle einig: “dass Juden Menschen sind”

Unter dem Titel “Juden nicht auf Auschwitz reduzieren” bringt Raphael Gross (Wikipedia: “Seine Tätigkeiten umfassen: Reader am Queen Mary Collage der University of London, Honorarprofessor am Historischen Seminar der Universität Frankfurt, Direktor des Leo Baeck Instituts in London (seit 2001), Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt (seit 2006) und Direktor des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main (seit 2007).”) in seiner Frühkritik der gestrigen Jauch-Show (es waren nur Juden bzw. Gäste jüdischer Herkunft oder mit jüdischen Wurzeln geladen) auf faz.net den bemerkenswerten Satz: “Alle waren sich einig, dass Juden Menschen sind.”

Er bringt ihn gar zweimal, einmal im Fließtext und davor, fett gesetzt, als die erste von vier Unterüberschriften: womit auszuschließen sein dürfte, dass der Autor diesen völlig unbedacht gebracht haben könnte. Außerdem muss ihm, dem Kommunikationsvollprofi, die Feststellung, diese Aussage sehr wichtig gewesen sein, was sich ebenfalls an der Hevorhebung erweist.

Ich frage mich nun, was er uns damit eigentlich sagen will. Immerhin eine indirekte Erklärung für diese seltsame Sentenz bietet sich an. Gross beklagt nämlich, dass die Diskussion ziemlich konsensuell und seicht gewesen sei, falsch besetzt bzw. unterbesetzt, und verrät dann, in der dritten Unterüberschrift, weshalb: “Ein Historiker hätte der Diskussion gut getan”

Tja, da lädt man keinen Historiker ein, und schon geht die Sache ziemlich in die Hose, meint der Historiker.

Bemerkenswert ist auch die letzte der Unterüberschriften: “Ist Auschwitz nicht stärker denn je im Bewusstsein?” (Gute Frage!) Und: “Der programmierte Konsens der Sendung half weder der Unterhaltung noch der Aufklärung.” Ist da jetzt die Unterhaltung im Sinne des Gesprächs gemeint oder etwa die Unterhaltung des Publikums? Oh weh…

Zum Schluss, ich bin ganz froh darüber, kann ich Herrn Gross nun doch noch beipflichten: “In der Sendung wurde stark betont, Juden solle man auf keinen Fall auf Auschwitz reduzieren. Das ist sicher richtig. Aber tun solche Sendungen nicht genau dies?” In der Tat. Bei der Masse tritt dieser Reduktionseffekt sicherlich in erheblichem Maße ein.

Ich denke, wenn ich “Juden” höre, beispielsweise an die Zehn Gebote, den Abrahamitismus insgesamt, Beschneidung und koscheres Essen, Jesus, Spinoza, Heine, Mendelssohn, Kafka, die Kabbalah, Khazaren, Aschkenazim und Sephardim, den Talmud, die Rothschilds, Herzl, Zionisten, deren Basler Kongress, die Balfour Declaration, den Staat Israel, Salcia Landmann, den jüdischen Witz und verschiedenes mehr.

Die Frage, ob Juden Menschen seien, kam mir noch nie in den Sinn.

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2 Antworten zu “Alle einig: “dass Juden Menschen sind””

  1. Lesezeichen sagt:

    Magnus, da hilft der Film “Ein ganz gewöhnlicher Jude”.

    Ben Becker at his very, very best. :))

    Ansonsten fängt das Problem schon mit der Sprache an. Jude ist eben kein Schimpfwort, sondern eine Bezeichnung wie Christ, Moslem, Buddhist etc. Trotzdem will es den meisten nicht so leicht von den Lippen kommen.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lesezeichen

    Ja, es fängt mir der Sprache an. Und es geht noch weiter, wie man auch im nächsten Beitrag sieht.

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