Verliebtsein: Die mentale Apokalypse

Auf meiner Leserstatistik-Seite blinkt derzeit ein Klickfeld “Ja” neben der Frage “Neu verlieben?”

Man kann daneben auch “Nein” ansteuern, was mich eben, wie erwartet, auf exakt dieselbe Seite mit einem sich etwa einen Zentimeter an die Lippen angenäherten Päärchen (immerhin hetero, so eine Art germanoider Halblatinlover mit Bartstoppeln und ein Blondchen) schleuste.

Welcher Mensch, der auch nur halbwegs noch alle auf dem Christbaum hat, will sich neu verlieben?

Denn das setzt ja voraus, dass er schonmal verliebt war: also diesen erbärmlichen Geisteszustand, oder besser Ohngeisteszustand, der mit dem Verliebtsein einhergeht, aus eigenem Erleben kennen muss.

Nur ein Masochist will sich “neu verlieben”.

Aufs neue herumlaufen wie ein Halbdackel, der nicht einmal mehr weiß, wie er richtig wiffen soll, sein Halsband für die Midgardschlange hält, bereit, in jedem Stechmückensumpfe eine treffliche Ambrosiasuhle zu erkennen, in jedem grünen Ampellicht einen höheren Zeig Amors zu gewahren, mit verdrehten Augen, Sabber ums Maul, den abendlichen Spülicht vom Fischmarkt als Champagner mit Kaviar schmeckend, wofern nur die holde oder auch noch nicht holde Klotzberta ihre schwitzigen Holzschuhe hineinstellte?

Wie ein hirnerschossenes Nashorn, das sich gerne nur noch von Akazienstacheln ernährt, in Schakalenbollenaspik, wofern seine Angebetete das vielleicht mit Wohlwollen zu betrachten geneigt?

O sancta simplicitas!

O minus dreihundert IQ!

Taumelnd, dauerbesoffen, redunfähig, ein einziger Klumpen Wirrnis, zwischen himmelhochjauchzend und am Boden zerstört, alle Sinne verbogen wie ein Waldhorn, gebeult und gequetscht, als wäre ein schwerer Kampfpanzer kreuzweis darübergeheizt, als Karikatur seiner selbst…

Oh weh!

Nein.

So schön die Liebe sein mag: Verliebtsein ist der idiotischste, verkehrunfähigste Zustand, den ein Mensch ganz allein, jederzeit bereit zu jeder Narretei, bis hin zur totalen, tollwütigen Raserei, ohne auch nur einen Pfaffen oder Psychiater erlangen kann.

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10 Antworten zu “Verliebtsein: Die mentale Apokalypse”

  1. Lesezeichen sagt:

    Mein Vater, mit seinem begnadeten Talent für Wort- und Satzkreationen, hat mal die Liebe als “hormonell bedingten Unsinn” bezeichnet, was dem ganzen ziemlich nahe kommt.

    Ansonsten ist hier

    http://www.youtube.com/watch?v=sV5MrxwSJGk

    eine meiner Lieblingserklärungen der Liebe :D . Leider ist es ein bisschen unscharf, aber der andere clip ist so schlecht zu verstehen.

    Ich hab den Film nun schon unzählige Male gesehen, aber ich mag ihn immer wieder. Jeff Bridges at his very, very best :)

    Einfach schön.

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lesezeichen

    Schönes Video!

    Ich hoffe, es ist Dir nicht entgangen, dass ich nur das Verliebtsein ein ganz klein wenig infrage stellte, keineswegs aber die erfüllte Liebe.

    Ersteres hat mit letzterer so viel zu tun wie ein Papierfingerhut mit einem sich immer wieder von selbst füllenden Kristallglas besten Weins.

    Ich weiß, das Bild ist jetzt vielleicht ein bisschen schräg.

    Aber man kann es verstehen, wenn man will.

  3. Dude sagt:

    Die Verliebtheit als simpler biochemischer Prozess steht der wahrhaften Liebe – die jenseits von Zeit, Raum und Materie, und damit auch jenseits von biochemischen Prozessen IST! – grundsätzlich im Wege, und es ist daher äusserst ratsam, sich nicht durch sie einlullen zu lassen.

  4. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Die Liebe mit Biochemie kann aber auch sehr erquicklich sein…

  5. Lesezeichen sagt:

    Ich denke, dass man das nicht einfach überspringen kann.

    Es gehört doch dazu, dass man bis in die Haarwurzeln unter Spannung steht, Schmetterlinge im Bauch hat und Herzklopfen bekommt, wenn man den anderen sieht oder nur am Telefon hört.

    Dann, so nach und nach, wandelt sich das. Bzw. eigentlich stellt sich dann heraus, ob es ein Strohfeuer war oder tatsächlich mehr. Wenn es mehr war, dann wird eben daraus diese tiefe Liebe.

  6. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Lesezeichen

    Da magst Du schon recht haben.

    Manchmal wird ja auch was Vernünftiges draus.

    Gleichwohl ist es meines Erachtens am gesündesten, wenn man sich wenigstens halbwegs am Riemen reißen kann (ist jetzt nicht wörtlich gemeint) und die Phase mit den Schmetterlingen nicht allzulange dauert.

    Man kann sich auch lieben lernen, ohne dass man dazu erstmal achtneuntels durchdrehen muss.

    Und wenn es nicht klappt (was ja oft der Fall ist), eine Sache sich als zu oberflächlich, einseitig, einfach nicht richtig erweist, dann kommt man immerhin leichter wieder heraus und fühlt sich hernach zumal nicht wie ein auf allen Vieren lahmendes Hochlandrind mit schweren Hirnschmerzen.

  7. Dude sagt:

    @Magnus

    Nichts gegen körperliche Vereinigung unter dem Lichtsterne der bedingungslosen Liebe, nein, ganz im Gegenteil ist dies wohl der höchste zu erreichende Glückseligkeitszustand innerhalb des multidimensionalen RaumZeit-Paradoxons.

    Diese ursprüngliche Liebe ist auch weder Gefühl, noch Gedanke, obschon sowohl als auch, nein sie ist mehr ein Bewusst-SEINs-Zustand; oder DER BewusstSEINszustand überhaupt! Das Wahrhaftige hinter den Dingen…

    Alles Liebe

  8. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Ich sage es mal etwas profaner: Gescheit gevögelt hat noch keinem Hirn geschadet.

  9. klaus maier sagt:

    sorry,
    liebe mit einem hormonellen überschwang zu beschreiben, ist nach meiner meinung am thema vorbei gedacht.
    es geht hier nicht um sexualität, sonders um die innigste verbindung, zu der intelligente menschen fähig sind – nämlich die teilweise selbstaufgabe für einen anderen, für das zurückstellen eigener bedürfnisse für den geliebten. wer diesen zustand der spirituellen extase und befriedugung noch nicht erlebt hat, hat nicht gelebt. die liebe macht den unterschied zwischen dem menschen und dem tier, welches (bis auf wenige ausnahmen) nur brutpflege und beschützerinstinkt (für die eigene gruppe) kennt.
    die liebe ist der göttliche odem.

  10. klaus maier sagt:

    weiter!
    leider ist die liebe ein gefähliches gut, da nur der die früchte der liebe ernten kann, der auch geliebt wird – sonst droht die verzweiflung.
    ich selbst kann davon ein ein gar trauriges lied singen. nach 25-jähriger ehe ließ sich meine frau scheiden, weil sie mich nicht mehr liebte. dass ich mich immer um die familie gekümmert, keine seitensprünge begangen hatte, in der familie “aufgegangen” war, zählte nicht mehr.
    eine zwischenzeitliche berufliche unzulänglichkeit mit einkommensverlußt verursachte den liebesverlußt. schade – meine ehemalige frau wusste wohl nie, was liebe ist, oder hat sie nie gespürt. ein armer mensch – aber das bin leider auch ich!

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