Jafaican

Ein erheblicher Teil der Londoner Randalierer, egal ob schwarz oder eher weiß, scheint einen neuen Stadtdialekt zu sprechen, das “Jafaican”.

Die Wortneuschöpfung setzt sich zusammen aus “Jamaican” und “fake”, also Jamaikanisch und falsch.

Der Dialekt soll lautlich sehr eigentümlich sein, nicht nur ob westindischer, sondern auch bengalischer und anderer Einflüsse.

Vielleicht müsste man auch in mancher Hinsicht von einem Soziolekt sprechen, jenem des multikulturellen, multirassischen, arbeitslosen jugendlichen Subproletariats.

In Deutschland kennen wir das Kanakisch, das ja auch zunehmend gerne von normalen deutschen Jugendlichen nachgeäfft wird, über entsprechende Elemente, Hiphop und Gangsta-Rap, als cool befördert.

Und der erfolgreiche Gangster scheint in diesem kleinen Sprachkosmos so etwas zu sein, wie es früher für Laien Fürst und König, für Kleriker Bischof und Papst waren, und für normale Leute heute Josef Ackermann und Ben Bernanke.

Man ist sogar überzeugt davon, die cooleren Gangster hervorzubringen.

Keine solchen Schlappärsche, die sich im Puff verstecken müssen, nachdem sie an einer schwulen Uni Betrugswirtschaftslehre studiert haben, um die Leute mit ihrem behinderten Gewäsch auszunehmen.

Ein richtiger Gangster hat auch auszusehen und zu reden wie ein richtiger Gangster.

Nun ist es für ein Unterschichtskid in Hackney sicherlich leichter, sich zum coolen Gangster hochzuarbeiten, als Fondsmanager in der City zu werden, so dass sich daraus natürlich auch ergibt, welches Vorbild es sich eher zueignen wird.

Es gibt den Gangsta-Rap, wo ist der Broker-Rap?

Oder wenigstens der Broker-Hop?

Man sieht hieran, wie die Street-Gangsta-Gangster gegenüber den internationalen Kapitalgangstern ihre kulturelle Überlegenheit ausspielen: sie haben die Musik.

Die der Jugend klarmacht, dass mit Anteilen von Elektronikkonzernen handeln und entsprechende Firmen ruinieren altmodisch ist und viel zu sehr nach anstrengender Arbeit riecht, während man sich die schönen Flachbildschirme doch vor der Haustür in einer Riesengaudi erplündern kann, ohne sich rasieren und duschen und mit der ätzenden U-Bahn in die City fahren zu müssen, wo sowieso nur Arschgesichter herumlaufen.

Man braucht ja nicht viel Ausrüstung.

Latschen, Jeans, Kapuzenjacke, Handy mit Musik und zum Verabreden, vielleicht ein kleiner Geißfuß, oder ein Fläschchen Benzin, und schon kann’s losgehen. Geile Party und cooler Fischzug in einem. Dröhn dröhn.

Die Mischung aus schwarzen Einwanderern, südasiatisch-moslemischen (v. a. Pakistani), Hindus, verschiedenen anderen, schließlich Weißen, ist auf religiöser wie kultureller Ebene sehr problematisch bis explosiv: Es prallen Expat-Ethnien aufeinander, die zwar fast alle einen britischen Pass haben, sich aber viel mehr als einer ganz anderen Sphäre zugehörig empfinden und daher eben auch nicht mit dem restlichen Britannien gemein machen wollen.

Bemerkenswert, dass die neuen Bannerträger unserer Kultur oft ihre eigenen Stadtviertel plünderten, um ganze Straßenzüge derer anschließend fröhlich in Brand zu stecken.

Durchaus eine lohnende Hauptseminars- oder Magisterarbeit, die Sprache jener postmodernen Stadtverschönerungskünstler, das “Jafaican”, etwas genauer auf häufige Redewendungen und Schwerpunktlexematik zu untersuchen.

Im Sinne des psychologischen Soziolekts innerhalb des phonetischen und grammatischen Dialekts.

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