Nach reiflicher Überlegung habe ich alle meine Aktien an mir abgestoßen und zudem ein großes Paket auf mich leer verkauft.
Das heißt, dass ich einen fetten Reibach mache, wenn mein Wert zackig sinkt.
Und das muss er ja eigentlich, wenn ich meine Aktien verkaufe und dann noch Leerverkäufe dazu tätige.
Ich kann also nur dann auf die Schnauze fliegen, wenn meine Aktien wider Erwarten doch steigen.
Was allerdings, rein statistisch gesehen, ein Wunder wäre.
Wenn ich einen Index von einer Mark im Jahre 1988 ansetze, komme ich jetzt auf vielleicht 90 Eurocent, also inflationsbereinigt allenfalls auf 40 Pfennige.
Das zeigt, dass die Abwärtsbewegungen allemal nachhaltiger waren.
Ich als kluger Anleger also auf weiter sinkende Kurse setzen muss.
Bis zu dem Tage, an dem sich alles dreht.
An dem ein Zehennagelabschnitt von mir zehen Unzen Goldes wert: kurzum jenem, da mein Kurs durch die Decke geht.
Ich habe dazu diverse astrologische Analysen anfertigen lassen; allein, ich traue den Astrologen nicht, zumal, wenn Geld im Spiele ist.
Auch eine Intuitionsberaterin, die mir empfohlen, suchte ich probeweis auf; die war aber so frigid wie nochwas.
Dann habe ich angefangen, die Kabbalah zu studieren, das ganze ketherische Programm, und grade zum Possen noch mit Crowley obendrauf.
Danach geriet ich unter Hexen, mich meiner nüchtern börslichen Sinne teils beraubend, der Künfte Anteils heischend, um mich kreischend, stieben und stoben, mal umher, mal von dannen flogen.
In der Höhle hatte ich schließlich nur meinen kleinen Wachhund.
Er war klein, damit er nicht so viel fraß, und da er mir auch als großer Vielfraßhund nicht hätte entscheidend wider jene Mächte helfen können, die unser kleines Idyll bedrohten, also genau richtig.
Unweit der Höhle lag eine Bauschuttgrube, von der her nächtens immer Holz fürs Herdfeuer beizuschaffen, in der Umgebung gab es Beeren, Wurzeln, Getreide, Kartoffeln, Rüben, Kohl, Nussbäume und allerlei Obst, auch mal einen Feldhasen. (In einem üblen Winter haben wir zweimal eine Sau gegen den Jäger gehetzt, damit der sie für uns anschießt.)
Nicht, dass “Hunger” – so hieß mein treues Hündchen – je geklagt hätte, da ich die letzten Knochen mit ihm nagte, im Gegenteil, er ging also zugrunde.
Mich schämend, dass ich noch Fleisch am Leibe hatte, immer noch zitternd vor einem Leben außerhalb der Höhle, wo mich ein längst entferntes Aktienleben erwartete, kehrte ich zurück in die Welt der Induktionsherde und Televisoren.
Dort habe ich mich gerade mit dem Day-Trading meiner Aktien beschäftigt und dabei das Gefühl, meine Papierchen ganz gut im Rennen zu haben.
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Tags: Aktien
“Habe mich leerverkauft”
Hahaha… und ich habe mich grad fast totgelächelt!
Eigentlich bin ich ja so froh. Froh, wenn dieses blöde Geld für alle zum ewigen Rätselspiel wird. Froh, wenn die Leute sich erwartungsvoll umschauen, weil sie nichts mehr erwarten dürfen – vom System.
Das gute am Crash ist, dass auch die Arroganz, die Besserwisserei, die ewig wiedergemühlten Themen endlich crashen.
Vielleicht, wenn alles richtig gecrashed ist, werden die Menschen wieder menschlich… (oder aber zu richtigen Tieren…)
PS:
Und das Wetter ist doch einfach genial! Die Leute (naja, jedenfalls an den Mädchen sehe ich es) gehen auf wie Blumen ;-)
Und – oh Mann, welcher Anglizismus – vercrash mich mal crashig oder ich kann mich nicht mehr eincrashen.
@ Armin
Wohl dem, der keine Anteilscheine am eigenen Leben besitzt.
So koppelt er sein Vermögen nicht an sein Leben.
Und Bandidos und Pistoleros denken nicht, dass er eine Kugel wert sei.
So spart er auch noch die Leibwächter und das Üben mit doppelter Langmagazinglock.
Und lümmelt einfach so vor sich hin.