Gästepest

Im Gespräch über die immer verschlungenere, irrwitzigere Problematik, was man denn heutzutage Gästen noch unbeschwert zum Essen vorsetzen könne, erfuhr ich gestern, der französische Figaro habe schon vor gut zwanzig Jahren geschrieben, man solle zu jedem Mahle zwei garantiert hungrige Studenten hinzuladen, um als Gastgeber nicht peinlichst vor lauter unzufriedenen Stochergesichtern zu sitzen, alleine einschaufelnd, was da mit aller Liebe gekocht.

Fangen wir mit dem Simpelsten an: Was macht man, wenn man acht Leute einlädt, und zwei davon – Gott, bzw. die eigene Sorgfalt gebe, dass man’s schon vorher weiß! – , wenn von acht Geladenen Zweie Vegetarier sind?

Allen vegetarisches Essen anzwingen, Sechse wegen Zweier fleischlos lassen?

Oder, wenn der Fleischgang kommt, extra einen tripelerlesenen vegetarischen Gang gleichzeitig reichen, damit die Veggies sich nicht zurückgesetzt fühlen, am besten fettes Triefschwein für die Karnivoren, das billigste?

Oder den Veggies sagen, sie möchten in der Zwischenzeit mal etwas Ziegenkäsecreme verkonsumieren, während die Lammkeule mit Speckbohnen verspeist wird?

Aber das sind ja inzwischen fast schon die kleineren Problemchen.

Denn der eine hat eine Laktoseintoleranz, der nächste verträgt keinen Knoblauch oder keine rohen Zwiebeln (anständiger Braten wie Salat gestrichen), wieder einer erträgt keinen, noch nicht einmal den feinsten Kümmel, der nächste dreht wegen des Dills durch, noch einer bekommt von allen Sorten Kohls fürchterliche Blähungen, sein Kollege von allen Hülsenfrüchten, eine meint, Eier stiegen ihr zu sehr aufs Cholesterin, Thunfisch ist Quecksilber, Chili Katastrophe, gesalzen werden sollte nicht einmal das Nudelwasser, ja, Weizennudeln sind sowieso indiskutabel, wegen der Weizenallergie, das Kochwasser möge bitte aus der Plastikflasche kommen, – kommt der Salat etwa aus Spanien? – , ist das Zuchtlachs? , wurde das und jenes mit einem Messer mit Holzaugengriff geschnitten? , wer hat diesen Hirsch wie und wo wie korrekt erlegt? , weißt du das ganz sicher? , sind das radioaktive, selber gesammelte Wildpilze? , hat der Fuchs auf die Himbeeren gebrunzt und ich nachher den Bandwurm? , sind die Bananen “Fair Trade”? , die Tomaten Freiland? , wieso Gusspfanne statt Edelstahl (oder umgekehrt)? , ist da Zucker drin? , kochst du ausschließlich mit unraffiniertem Meersalz (oder Jodsalz)? , ist der Honig von freilaufenden Bienen? , ist der Schinken luftgetrocknet, oder doch bloß geraucht? , Appenzeller esse ich nicht, denn die Schweizer sind Finanzschufte, junge Heringe hätten noch alt werden können, ist das Fukushimaregensalbei? , unterstützt du mit diesem Pecorino nicht die Mafia? , weißt Du, wie die bei Bordeaux die Erntehelfer ausbeuten? , sind das etwa Bleikristallgläser? , die Kerzen sind nicht aus Bienenwachs? , hast du die Gemüsebrühe durch Ökohanftuch abgepresst? , verwendest du konventionelles Spülmittel, gar mit einer Nylonbürste? , sind das planchierte Rattenaugen?

Ich wollte den Satz kurz halten, ende also schon hier.

Kein Wunder, dass kaum noch anständig eingeladen und gekocht wird: Wer will sich noch mit allem Fleiß die Gästepest ins eigene Haus holen?

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2 Antworten zu “Gästepest”

  1. Dude sagt:

    Werter Magnus
    Also wenn ich mir deine Menuzusammenstellung so anschaue läuft mir doch glatt das Wasser im Munde zusammen, und dies, obwohl ich Vegetarier bin.
    Es liegt daher auch in meinem Interesse – wenn immer möglich – fleischliche oder fischige Kost zu vermeiden. Es wäre allerdings falsch dies allzu eng zu sehen, und aus diesem Grund nehme ich gerne auch mal etwas Fleisch zu mir, wenn ich eingeladen bin und das Menu mit Liebe gekocht wurde (und es im Idealfall keine Geschmacksverstärker und andere Chemie enthält).
    Und abgesehen davon kommt ja selten NUR Fleisch auf den Tisch, also sollen doch die militanten Vegis einfach die Klappe halten und Beilagen essen, hehe :-D
    Zum Salz hätte ich da noch einen Geheimtip für euch :-)
    http://www.vitasal.ch/vitasal/index.asp

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Dude

    Du scheinst ja ein sehr toleranter Vegetarier zu sein.

    Viele von denen gucken nämlich den karmisch frevelhaften inkarnierten Fleischfressern mit solcher Miene beim Essen zu, verziehen das Gesicht wie drei Tage Regenwetter, wenn die Wurstplatte an ihnen vorbeigereicht wird, dass man sie eigentlich gleich rausschmeißen sollte.

    Dahinter mögen dreierlei Gründe stecken.

    Erstens mag der (selbst antrainierte) Ekel so groß sein, dass sie nicht anders können, – dann sollten sie besser freiwillig fortbleiben.

    Zweitens möchten sie sich selbst vorhalten, dass sie mit derart verwerflichen Subjekten noch Verkehr pflegen, – dann…

    Drittens mag es der blanke Neid sein, den sie sich natürlich nicht eingestehen können, – dann…

    Diese Leute zeigen in ihrem Verhalten eine nur auf den ersten Blick verblüffende, auf den zweiten eine folgerichtige Ähnlichkeit mit vielen Blaukreuzlern, die einem Galle in den Weißburgunder wünschen, wenn nicht gleich eine Leberzirrhose.

    Ich habe aber noch – außer jenem mit den Studenten – zwei praktische Tips, wie man als Gastgeber ohne völlige Selbsterniedrigung Vegetarier überlebt, die ich regelmäßig anwende.

    Entweder mache ich ein Käsfondue Marke Magnus, oder eben einfach kalte Platte mit diversen Salaten und selbstgebackenem Dinkelweißbrot, bei der neben den Käsen auch die Eiercreme, die Fischcreme sowie die kalte Fleisch- bzw. Wurst- und Schinkenplatte nicht fehlt.

    Sollten letztere Aufgebote mit despektierlichen Blicken belegt werden, so kann ich das schlichtweg leichter ritterlich ertragen, als wenn mir dies mit dem liebevoll geschmurgelten Rinderbraten geschieht. (Mal abgesehen von der oben bereits beschriebenen Gängeproblematik.)

    Dahin, nur noch eine vegetarische Linsensuppe o. ä. (ich liebe Linsen!) als Hauptgang zu kochen, lasse ich mich, wenn ich einlade, von keinem Vegetarier herunterbringen.

    Dies bedeutete dann nämlich eine bedingungslose Kapitulation vor dem Gast.

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