Spiritualität ist fast immer Mist (II)

Jetzt ist es tatsächlich passiert.

Ob meines Spaßes “Spiritualität ist fast immer Mist” fuchtelt ein (selbsternannter?) Superspiri tatsächlich mit weltlichen Paragraphen herum.

“sadhu sagt:
12. Mai 2011 um 00:49 (Bearbeiten)

jetzt mal ganz ernsthaft … gut durchlesen … verstehen … und eine reinigung durchführen …. würde mich drüber freuen …. es ist wichtig das im netz frieden herrscht …. meinungsfreiheit wie du sie verstehst ist nichts für den öffentlichen raum ….
grüsse … bernhard

§ 166 StGB
„(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“

manchmal ist es besser respekt und frieden vor der meinung zu halten”

Bemerkenswert an dieser hochspirituellen Einlassung ist für den Philologen zunächst, dass der Kleinschreiber die Großbuchstaben im Gesetzestext stehen ließ.

Also: Spirituelles ist klein zu schreiben, Profanes groß.

Betrachten wir die Sache lexematisch.

Reinigung / Frieden / Meinungsfreiheit / öffentlicher Raum

Ohne dass ich überhaupt wüsste, wessen Hyperspiritualität ich im Zusammenhang mit welcher Heilslehre derart beschumpfen haben sollte, dass dies dazu geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, kommt dieser Anonymus daher und empfiehlt im Sinne des Ausputzens meiner Meinungsfreiheit eine Reinigung des öffentlichen Raumes.

Das scheint mir ja ein echter Spiritualdemokrat zu sein.

Zumal er mir nicht einmal einen sachdienlichen Hinweis gibt, was denn konkret gegen wen konkret zu grob gewesen sein könnte und daher künftig zu unterlassen sei.

Das darf ich mir dann hübsch selber zusammenreimen: Meine Schere im Kopf beim Verfassen aller Artikel, die irgendwie in die Nähe von Spirituellem geraten könnten, darf ich mir denn auf dem Ambosse der Selbstverdächtigung selber schmieden und per vermutender Konjektur zusammennieten.

Und, ich bin ja nicht so der Wikipedia-Fan, aber hier doch der Link zum Eintrag “Sadhu”:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sadhu

Sollte “sadhu” tatsächlich ein voll granatenmäßig erleuchteter “Sadhu” sein, so frage ich mich denn, wieso der auf so profanesken Seiten wie dieser herumliest, wo ihn nur Unglaube und Schmutz anstarren, anstatt sich brav in seinen Lendenschurz zu setzen und ins Nirvana hinüberzumeditieren, wie es sich für seine Zunft doch gehören sollte.

Ich sage sowas nicht gerne.

Aber dieser “sadhu” tut mir echt voll spiri leid.

Nachtrag

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist noch, dass u.a. die drei abrahamitischen Religionen auf dieser Seite durchaus schon kritische Würdigung erfuhren – nicht nur aus meiner Feder – ich mich aber partout nicht erinnern kann, wann ich den letzten Hinduwitz gerissen habe.

Und jetzt gibt sich tatsächlich (oder auch nur vorgeblich) ein solcher hier als derart beschumpfen, wie oben zu gewahren.

Eher noch hätte ich es für möglich gehalten, dass hier ein tatsächlicher (oder vorgeblicher) Scientologe, eine lesbisch-lutheranische Geistliche, ein Amerikaanbeter von der Atlantik-Brücke, ein Altgläubiger, der mich die Runen gar zu locker nehmen sieht, ein Safthersteller oder ein Fuselölfabrikant auf solche Weise vorstellig würde.

Das Leben ist eben, gottlob, voller Überraschungen.

So haben mir Vorsehung und Schicksal nun einen achttausendjahrweisen Inder karmisch auf die Seite gebunden.

Vielleicht sollte ich der Spiritualität gegenüber doch nicht immer so streng sein.

Ich imaginiere mir jetzt einfach mal mich selbst, wie ich bei 35 Grad im Schatten sturzbekifft an einem indischen heiligen Felsen sitze, der Planet brät mir gandenlos aufs Hirn, schon nicht mehr spürend, wie die Beine von 14 Stunden bekifftem Schneidersitz etwas lamaicht werden, dabei die meisten der 333 000 Gottheiten vor meinem Dritten Auge, Bierdurst wie die Sau, aber nur wenig Tee, einen Frühzwiebelrest zwischen den rechten hinteren Backenzähnen, aber keine momentane spirituelle Erlaubnis zur weltlichen Reinigung, nirgendwo seit Tagen auch nur ein Weib, nur weitere sturzbekiffte Jünger, keine Lizenz zum Lachen, Notdurft hinterm Mangobaum, tief wissend, wie sinnlos mein bisheriges, durch Kinder gestörtes, materiell beflecktes Leben war, in unendlicher Erlösungsspule.

Allein, es hilft nicht viel.

Der Schwabe meditiert angelegentlich lieber beim Schaffen, anstatt beim Dauerdösen, Herumsitzen und Bescheidwissen.

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6 Antworten zu “Spiritualität ist fast immer Mist (II)”

  1. Thomas sagt:

    Wie geil ist das denn! :D Der letzte große Absatz hat mir echt das Grinsen auf den antispiri-Kopf getrieben. ;)

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Thomas

    Mein Kopf drohte mir schon ob der gehabten heiligen Vorstellung zu brummen.

    Eine Merlotsalbung indes half der Gefahr schnell ab.

  3. Föhnix sagt:

    Die satirischen Betrachtungen von Esoterik und Spiritualität habe ich hier immer genossen. Ich habe sie aber nie als “antispiri” wahrgenommen. Ich würde sagen, wenn dieser Blog in irgendeiner Hinsicht “Anti” wäre, dann Anti-Kriegstreiber, Anti-NWO oder vielleicht Anti-Dummheit und natürlich Anti-Neusprech.

    Ich für meinen Teil schätze Spiritualität sehr (und damit meine ich nicht vorrangig die in flüssiger Form ;-)). Aber ich finde, dass es den meisten Spiritualisten an Humor und Lockerheit fehlt. Die meisten sind so mit ihren Dogmen beschäftigt, dass sie, um in deutscher Gründlichkeit nur ja rechtzeitig zur nächsten Meditation zu kommen, glatt ihre eigene Erleuchtung verpassen würden.

  4. Gockeline sagt:

    das ist ein Markt der nicht zu unterschätzen ist.
    Man braucht nichts zu lernen.
    Alles ist auf einer Wohlfühlbasis aufgebaut.
    Alle wollen sich wohlfühlen
    Alle wollen erfolgreich sein.
    Alle wollen unantastbar sein.
    Aber andere will man manipulieren z.B. durch Zauber!
    Man braucht nun nur die teuren Handwerkszeuge,
    wie Kristalle,Steine,Amulette,Kristallköpfe,Karten,Essenzen,u.s.w.
    Dort wird mehr verdient wie bei einem Arzt!
    Ein Stundenlohn wo andere nur träumen können.
    Wenns nicht gewirkt hat ,ist der Patient der Schuldige,
    weil er sich nicht geöffnet hat.
    Weil er falsche Gedanken hatte.
    Früher holte man sich den Zuspruch im Glauben ohne Geld.
    Heute kostet der Zuspruch sehr viel Geld.
    Man hat diese Spielwiese geschaffen,
    um den neuen Freizeit-Wirtschaftsmarkt zu bedienen.
    Es ist so einfach die Menschen zu veräppeln.

  5. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ Thomas & Föhnix & Gockeline

    Dank Euch.

    Ihr habt den Folgeartikel (“Wann ist Spiritualität kein Mist?”) mitinspiriert.

    Wenn man so will, ist er eine etwas länger und umfässlicher geratene Antwort auch auf Eure Kommentare.

  6. Monika Schulte sagt:

    Hahahaha…hahaha..hahah. oooohhh…hahaha..DANKE111

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