Göller als Perser

Ich versuche mich jetzt angesichts der aktuellen Lage einmal, in einen Perser hineinzuversetzen.

“Vor der Küste meines Vaterlandes ist eine gewaltige Armada an israelischen Unterseebooten modernster deutscher Produktion, atomar bestückt und von den tüchtigen Deutschen denen geschenkt und extra so gebaut, dass das nukleare Bombardement meines Landes auch funktionieren dürfte, wenn gewünscht, zudem von amerikanischen Kriegsschiffen, aufgelaufen, deren Befehlshaber ebenfalls seit Jahren fast täglich mit Krieg, ausdrücklich auch Atomkrieg, drohen, und gleichzeitig läuft nicht unser Golf voller Öl, sondern der von Mexiko.

Als Iraner weiß ich, dass Großbritannien sich durch BP jahrzehntelang am Öl meines Landes fettsog wie ein Satan, uns Hunger und Armut ließ; und als wir etwas mehr als ein paar Pence vom Gewinn sehen wollten, unsere demokratisch gewählte Regierung durch die CIA stürzen ließ und den Schah, der Tausende meiner Landsleute foltern und umbringen sollte, durch seine prima mit dem Westen sich einige Geheimpolizei, installierte, weil dann wieder alles in der guten alten Ordnung war, bis die islamische Revolution kam, das Gesindel zu vertreiben.

Nun, ich bin zwar nicht begeistert vom starren System der Republik, Freiheiten wie in der Türkei etwa wären nicht schlecht, aber ich bin persischer Patriot und gläubiger Muslim, und die Revolution hat trotzdem meinem Volk der Dichter und Denker, mit über zweitausendfünfhundert Jahren ruhmreicher Geschichte, Unabhängigkeit und Stolz zurückgegeben.

Ich weiß auch noch genau, wie sie Saddam Hussein auf uns losließen, ihn bis an die Zähne bewaffneten, ihm das Giftgas und die Zieldaten für dessen Einsatz lieferten, als wir trotz Boykott und anfänglicher Unterlegenheit den Krieg zu gewinnen drohten.

Ich weiß auch, dass die Amerikaner Terrorgruppen bei uns im Land unterstützen; Bush hat eigens ein Budget über mehrere hundert Millionen Dollar dafür eingerichtet, sie leugnen nicht einmal, dass sie Tag für Tag einen verdeckten Krieg gegen uns führen.

Und sie haben Afghanistan besetzt und bringen dort Muslime auf ihren Hochzeiten um; und es sind noch mehr bettelarme Flüchtlinge zu uns gekommen, und es gibt immer noch mehr billiges Heroin in Iran, seit die Amerikaner dort sind und der Mohnanbau so stark ist, wie nie zuvor.

Als gläubiger Muslim freue ich mich nicht über das durch BP verursachte Elend, die furchtbare Not unschuldiger Amerikaner, selbst wenn es Ungläubige sind, aber es ist möglich, Inschallah!, dass Gott jetzt BP, England und Amerika für das straft, was sie meinem Volk seit einem Jahrhundert angetan haben.”

Anmerkung (jetzt bin ich wieder Deutscher): Wer meine Seite kennt, weiß, dass ich nicht viel für den Koran als Buch und den Islam als Glaube, zumal die Scharia, übrig habe; aber es gibt eben auch eine andere Seite der Medaille “Böser Iran”.


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4 Antworten zu “Göller als Perser”

  1. roush 2.0 sagt:

    Bis auf die Religion, triffst du den Ton ausgezeichnet, wir Perser sind nicht alle Muslime; Bahai, Juden, Christen und Zoroastrier(Urreligion aller Perser und der 3 drei derzeitigen Weltreligionen)gibt es auch noch.

    Keine Angst der USA und Israel machen wir es nicht so einfach, wie in der US-World-Domination-Tour der letzten Hundert Jahre! Diesmal bricht der Planet auseinander!

  2. Magnus Wolf Göller sagt:

    @ roush

    Von den Bahai habe ich erst in letzter Zeit gehört, aber dass es bei Euch 25000 Juden gibt, mit eigenem Parlamentssitz, weitgehend zufrieden und unbehelligt, das weiß ich schon länger; auch, dass die Zoroastrier geduldet werden, wie auch die Christen (den diesbezüglichen Vergleich mit dem von den USA so geliebten Saudi-Arabien und der dortigen “Toleranz” lasse ich jetzt mal außen vor).

    Das mit dem gläubigen Muslim als “Mehrheitsperser” war natürlich fürs Publikum etwas vereinfacht; zudem, wie sollte ausgerechnet ich wirklich wissen, wie ein gemäßigter Muslim denkt?

    Ich habe sowohl in Deutschland als auch den USA schon einige Deiner Landsleute näher kennengelernt, die allerdings eher areligiös waren.

    Ich freue mich aber, dass Du dies, was eher an ein westliches Publikum gewandt war, sonst nicht schlecht fandest.

    Und ich freute mich durchaus auch noch über einen längeren Kommentar, in dem Du Deine Sichtweise - aber bitte ohne dass gleich der Planet auseinanderbricht, der macht grade schon genug Probleme - , in dem Du den Lesern Deine Sicht, zumal auch mit Blick auf die religiösen Minderheiten, die Azeris, die im Westen unterschlagene Pluralität des Landes, etc. ausführlicher darlegtest.

    Bei entsprechender Qualität und der gebotenen Mäßigung - ich will ja nicht gleich den Mossad im Hause haben (kleiner Scherz) - könnte auch ein eigener Gastbeitrag daraus werden (ich würde gegebenenfalls auch bei der Ausarbeitung helfen).

    Grüße

    Magnus

    P.S.: In meinem Lieblingsbuch “Also sprach Zarathustra” ist übrigens von einem Volke die Rede, dessen Ziel bzw. hohe Errungenschaft es sei (ich hoffe das Gedächtniszitat ist einigermaßen korrekt) “die Wahrheit zu reden und gut mit Pfeil und Bogen zu verkehren.”

    Ich dachte immer, dass sich diese Passage auf die Perser bezöge; es steht aber nicht ausdrücklich dort.

  3. Norbert I. sagt:

    Sehr geehrter Herr Göller,

    gestatten Sie mir einige Anmerkungen in Bezug auf den lobenswerten Versuch Ihrerseits, sich in einen Iraner hineinzuversetzen.

    Beginnen wir mit dem Persischen Golf,
    http://en.wikipedia.org/wiki/Persian_gulf
    welchen Sie sich als großen See vorstellen können, was ihn für viele Unterseeboote nur bedingt nutzbar macht. Sie überschätzen zudem die Möglichkeiten der Dolphin-Uboote ebenso wie Sie die Fähigkeiten der Iranischen Streitkräfte zu entsprechenden Gegenmaßnahmen unterschätzen.
    http://english.farsnews.com/NewsV.php?srv=18
    Was die Flugzeugträger anbetrifft, so gebe ich zu bedenken, daß diese nur aus dem Indischen Ozeane heraus Angriffe durchführen können, wobei die Reichweite ihrer Kampfflugzeuge stark eingeschränkt ist, da ein Betanken über dem Iran nicht in Frage kommt.

    Über Mossadeqh
    http://en.wikipedia.org/wiki/Mossadegh
    sowie den Schah haben Sie ja treffliche Bemerkungen gemacht, jedoch sind die folgenden Sätze meines Erachtens weniger gut gelungen.
    Zunächst einmal ist die Republik heute Geschichte, nachdem etwa wichtige militärische Machtbefugnisse ebenso wie die Kontrolle über Parlament (Majlis) sowie Polizei und Behörden auf die Sepah (Pasdaran oder auch Revolutionswächter) übertragen wurden.

    Ihre folgende Aussage über angebliche Freiheiten in der Türkei wird zumindest von den dortigen Kurden sicherlich nicht geteilt. Auch ist mir nicht bekannt, daß Frauen wie im Iran ab dem Alter von 15 Jahren Kraftfahrzeuge führen dürfen oder daß eine Ehe auf Zeit einen zwanglosen Umgang der Geschlechter ermöglicht oder auch daß mehr als die Hälfte der Studenten weiblich sind. Die Türkei ist für niemanden im Iran ein Vorbild und es ist vielmehr so, daß heute der Iran für viele Türken das große Vorbild darstellt.

    Ebenso ist Ihre Bezeichnung “persischer Patriot” sehr unglücklich gewählt. Erstens ist sie sachlich falsch, denn nur knapp die Hälfte der Iraner sind Perser.
    http://en.wikipedia.org/wiki/Demography_of_Iran
    Zweitens bezeichnen sich heute vor allem Anhänger des Schahs sowie verschiedene Gruppen von Exil-Iranern als persische Patrioten zumeist unter Hinweis auf die angebliche Besatzung Persiens durch Araber.

    Zwar sind die Iraner mehrheitlich sicher gläubige Moslems.
    Jedoch möchte ich Ihnen anraten, die oftmals doch sehr großen Unterschiede zwischen den einzelnen Glaubensrichtungen und Sekten im Islam zu bedenken. Ansonsten laufen Sie Gefahr, daß viele Ihrer Leser Sunniten, Schiiten und Wahhabiten alle über einen Kamm scheren.

    Es bleibt nun abzuwarten, wie Sie mit derartiger Kritk umzugehen gedenken.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Ihr

    Norbert I.

    PS :
    Hier
    http://www.youtube.com/watch?v=TLYT_QeCF2E
    sehen und hören Sie die Gedanken eines echten Iraners.

  4. Magnus Wolf Göller sagt:

    Lieber Norbert I.,

    zunächst vielen Dank für Ihre Zuschrift.

    Mir war beim Verfassen dieses Beitrags von vorneherein klar, dass ich bestenfalls einen mäßigen Perser/Iraner abgeben würde; die Hauptintention des Textes in dieser Form war, die westliche Einseitigkeit in Medien und Politik anhand einiger - zumal historischer - Eckwerte offenzulegen.

    Dass ich dabei den Fehler beging, “Perser” und “Iraner” quasi synonym zu verwenden, dafür möchte ich mich entschuldigen; diese Nachlässigkeit hätte mir nicht unterlaufen dürfen, zumal mir ja bekannt war, dass es iranische Azeris, Kurden und andere Volksgruppen gibt.

    Der Fehler liegt wohl darin begründet, dass das Land für mich von Kindesbeinen an eher Persien denn Iran hieß; somit gerieten mir indirekt alle Iraner versehentlich zu Persern…

    Sodann kurz zur Türkei und den dortigen Freiheiten: Immerhin eine Kopftuchpflicht besteht dort nicht; ich denke auch, dass die Meinungsfreiheit in mancherlei Hinsicht in der Türkei größer ist; Alkohol ist erlaubt und die Todesstrafe abgeschafft, soweit ich weiß; was die Lage der Kurden anlangt, so ist Ihre Kritik sicherlich berechtigt (wobei ich in diesem Rahmen allerdings auch nicht alles berücksichtigen konnte, siehe auch Religion unten).

    Zum Militärischen: Saudi-Arabien ist ein enger Verbündeter der USA und könnte eine Betankung von Kampfflugzeugen direkt in der Nähe erlauben; der Indische Ozean, wo amerikanische Flugzeugträger sehr viel schwerer anzugreifen wären als im Persischen Golf, beginnt gleich hinter der Straße von Hormuz, also ebenso nicht weit weg von Iran; zudem ist da noch der unsinkbare britisch-amerikanische Flugzeugträger namens Diego Garcia im Indischen Ozean, dessen Kapazitäten von den USA in den letzten Jahren mit hohem Aufwand ausgebaut wurden.

    Welche Mittel der Iran gegen die U-Boote der Dolphin-Klasse einzusetzen vermöchte, weiß ich nicht; vielleicht sind die auch doch nicht so unortbar, wie man das erzählt.

    Schließlich noch zur Religion: Dass der Wahhabismus mit seinem berüchtigten Rigorismus etwas sehr Verschiedenes von anderen sunnitisch-islamischen Richtungen ist, umso mehr noch geschieden von den Zwölfer- und Siebenerschiiten und Aleviten, ist mir durchaus bekannt; aber ich reklamiere kein Expertenwissen, was den Islam insgesamt anlangt; und eine Professur für Islamwissenschaft strebe ich zumindest in diesem Leben nicht mehr an.

    Ehrlich gesagt, ist es mir nicht einmal gelungen, den Koran zur Gänze zu lesen, obwohl ich mich dazu zwingen wollte - er liegt zufällig gerade in der Reklam-Ausgabe noch rechts neben mir auf dem Schreibtisch - : das Buch war mir gar zu erkenntnisfrei, öde und redundant, mal ganz abgesehen davon, dass ich u. a. weder vom Frauenschlagen in der Ehe noch halbem Zeugnis- und Erbrecht für Frauen etwas halte, um es mal ganz gelinde zu auszudrücken.

    Ich hoffe, Ihnen wenigstens teilweise erschöpfend geantwortet zu haben und verbleibe einstweilen

    Mit freundlichen Grüßen

    Ihr

    Magnus Wolf Göller

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