Nachvollziehbar doch naiv

Soeben las ich mal wieder in einer längeren Netzdebatte herum, die speziell die Probleme Europas mit dem Islam zum Gegenstand hatte.

Von den vielen Argumenten die dazu – ob uns eingebrodert oder versteinfeldet – in letzter Zeit ausgetauscht wurden, fiel mir eines besonders auf, das zwar schon von Lafontaine aufgegriffen wurde, aber doch bislang ein relatives Schattendasein führt.

Es lautet ganz knapp (und inzwischen vernahm ich Ähnliches auch von “Rechten”!): “Der Islam bietet Gemeinschaft, Geborgenheit und Zusammenhalt, gebietet, mit den Armen zu teilen, und er kennt das Zinsverbot, bietet also dem Hauptfeind Kapitalismus die Stirn, welches wir dekadenten Westler offensichtlich nicht mehr vermögen.” (Also ist er gut…)

Das ist nun schon eine einzigartige Melange aus Dichtung und Wahrheit, die ich für wert erachte, einmal näher betrachtet zu werden.

Fangen wir beim Einfachsten an: Ja, es gebricht uns an Gemeinschaft, Geborgenheit und Zusammenhalt. Die allermeisten Deutschen sehen aber die dazu vom Islam dargereichten Vorstellungen als für sich nicht wünschenswert an, viele dagegen die Gemeinschaft usw. durch den Islam gerade zuwenigst zusätzlich untergraben bzw. bedroht. (Zumal im linkswählenden, säkularen “Wilden Osten”, Herr Lafontaine, finden sich wenige Menschen, die so richtig auf Zwangskopftuch und Prügel für renitente Weiber stehen.)

Sodann zum Thema teilen: Mir ist nicht bekannt, dass irgendwo in der moslemischen Welt ein Sozialstaat existierte, der sich mit dem unsrigen vergleichen ließe (gut, in Saudi Arabien gibt’s sowas für faule Saudis, aber nicht für die pakistanischen Bauarbeiter und die philippinischen Haussklavinnen).

Zuletzt: Wo in der islamischen Welt gilt denn wirklich ein Zinsverbot, ein echtes, nicht nur ein durch Konstruktion der Papiere locker Umgangenes? Sind die Saudis, als Hüter der Heiligen Stätten, etwa Antikapitalisten? Einen noch schlechteren Witz habe ich selten gehört.

Die obigen Behauptungen laufen also aus westlicher Sicht fast gänzlich ins Leere, mit der Ausnahme eines metaphysischen bis daraus folgend aber auch realen Komplexes, der sie stützt und dem wir uns jetzt nähern wollen. Er speist sich, wie sonst, aus den sowohl rational wie irrational begründeten Ängsten vieler Menschen.

Zunächst sehen diese eine mit der Hochfinanz verbundene politische Kaste, die sich den Deibel darum schert, was die Menschen wollen, dazu lügt, dass sich die Balken biegen: Euro, EU-Verfassung, Afghanistankrieg, Finanzkrise, Israel, Zuwanderung, Islam, Klimaschwindel, Schweinegrippe, Gendermist usw. usw.

Dadurch haben die Menschen mit Recht das Gefühl, beliebige Spielbälle der Mächtigen zu sein, dass diese keinerlei Spielregeln einhalten wollten oder irgendwie müssten.

Genau hier setzt der innere Wunsch ein, ein gewissermaßen höheres, für alle verbindliches, unantastbares Gefüge solle heilsbringend wirken, denn dessen Gebote seien eben dann auch gegen Bänker und Politgangster  durchzusetzen.

Doch, so verständlich dieses Ansinnen individual- wie massenpsychologisch auch sein mag: Alle historische Erfahrung spricht dagegen, dass absolute religiöse Gebote, durch entsprechend mächtige Kleriker mittels drakonischer Strafen durchgesetzt, wie sonst, eine Gesellschaft lebenswerter machen könnten. Aggressiver nach innen und außen, totalitärer, zeitweise imperialistisch erfolgreicher, ja, das mag angehen, siehe Islam, das frühere Christentum, die Azteken oder Inka, das Tibet des Feudalismus und der Mönche etc.

Leider ist damit die Frage nicht gelöst, wie wir uns dem Würgegriff der Hochfinanz und der Kriegstreiber entziehen und diese wirksam entmachten könnten: Realistischere Mittel dazu als die Hinwendung zu einem totalitären Glaubenssystem trachte ich sobald als möglich hier vorzulegen.

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2 Antworten zu “Nachvollziehbar doch naiv”

  1. Foehnix sagt:

    Besser naiv, als der dumpfen Islamhetze des Imperiums folgen. Deren dreisteste Anhänger können an Tumbheit locker mit den Mitläufern des Dritten Reiches mithalten.

    Wo soll das hinführen, wenn sich die wenigen Kräfte, die dem Imperium entgegenstehen, auch noch gegenseitig zerfleischen? Die Kriegstreiber werden’s händereibend zur Kenntnis nehmen.

    Ich sehe im Islam auch nicht den Heilsbringer und Retter der unserer Zivilisation. Aber ich finde es besser, sich unvoreingenommen auseinander zu setzen, statt gegen Moslems zu hetzen. Der islamische Kulturkreis hat immerhin bedeutende, ja einzigartige Errungenschaften vorzuweisen, auch wenn er natürlich auch durch viele Höhen und Tiefen ging, wie wohl fast jede Kultur. Aber vergleichen mit der gerade entstehenden Schreckensherrschaft des Finanzkapitals ist der Islam immer noch ein Hort von Frieden, Humanismus und Kultur.

    Beispiel Mogulreich: während hierzulande noch Hexen und Hexer verbrannt wurden, herrschte dort schon friedliche Koexistenz aller Religionen und Kulturen. Zuvor gab es auch in Europa schon eine ähnliche Blüte von Toleranz, Wissenschaft und Kultur, nämlich unter der maurischen Herrschaft in Spanien (v.a. in Granada).

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/556/406333/text/

    http://www.warumtoetestduzaid.de/de/mainmenu/10-thesen/alle-zehn-thesen.html

  2. Christoph Messner sagt:

    … wie wir uns dem Würgegriff der Hochfinanz und der Kriegstreiber entziehen und diese wirksam entmachten könnten?
    Es gibt ein Buch von Reiner Bischoff: “Entmachtung der Hochfinanz” und auf meiner Website http://www.95thesen-reloaded.de finden sich in der Link- und Literaturliste weitere Anleitungen, wie diese Entmachtung geht.
    Prinzipiell könnten die Notenbanken unendlich viel Geld drucken und jederzeit beliebig hohe Beträge an jeden Menschen auf der Welt gleichmäßig verteilen. Warum wird das nicht wenigstens mit 100 Dollar pro Kopf gemacht? …

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