Versehentlich alle verarscht

Auf dem Lokus, beim üblichen begleitenden Lateinstudium, kam mir ein jokunder Schwank aus meiner Jugend vor Augen zurück.

Mit vierzehn Krautherbsten bestallt, genoss ich das Privilegium, von einer sehr wohlhabenden amerikanischen Familie, zu der sich ein Kontakt über die Glaubensgemeinschaft “Christliche Wissenschaft”, also meine Mutter und die Mama dort, ergeben hatte, über die Sommerferien in die USA eingeladen zu werden, wo ich denn auch drei Wochen mit deren gleichaltrigem Filius in ein Sommercamp für Jungs gehen durfte, wo alle, außer mir, jener Glaubensrichtung angehörten und ich zudem als einziger Ausländer bescheiden zu glänzen versuchte.

So machte ich natürlich auch Fehler; einer lag darin, dass ich ob des dortigen, geradezu militärischen Drills irgendwann fallen ließ, dies sei “like Germany 35 years ago”, alswelches die “counsellors”, die ehrenamtlichen erwachsenen Betreuer, nicht minder schockierte als meine jugendlichen Lagergenossen.

Lustiger aber noch wurde die Sache, als ich ein englisches Wort von erheblichem christlichem Gewicht, “humility” (Demut), anhand der täglichen Bibelstunden, die ich wenig aufmerksam absolvierte, semantisch falsch verdaut und mir dieses derwegen in etwa mit “Menschlichkeit” (mein Latein spielte mir schlechtem Religionisten einen bösen englischen Streich) übersetzt hatte.

Denn bei den wöchentlichen großen abendlichen Lagerfeuern, mit Indianerromantik und Kinderwettkämpfen, waren auch sogenannte “testimonials” im Programm, also stets religiös inspirierte menschenfreundliche Kurzeinlassungen bzw. Zeugnisse, für deren Absonderung man sich melden konnte, auf dass allen noch wohler ums Herz werde und man sich als besonders christliches Mitglied der Gemeinschaft zu erkennen gäbe.

So geschah es, dass ich, mir meiner teilweise prekären Lage ob der oben erwähnten Aussage und meiner bekanntermaßen mangelnden Bibelfestigkeit und christlich-wissenschftlichen Unernsthaftigkeit wohl bewusst, gedachte, ein wenig für gutes Wetter sorgen (um das üble Wort Einschleimen mal zu vermeiden) zu können, indem ich mal etwas unverfänglich Konstruktives beitrüge.

Das vorgegebene Stichwort für die “testimonials” (es wurde stets eins vorgegeben, und der Teufel wollte es wohl so), war nun ausgerechnet jene “humility”, und da die “counsellors” bei allem religösen Döns tatsächlich zwar etwas selbstbewusst-autoritäre, aber durchaus anständige und positive junge Männer waren, meldete ich mich und gab von mir, dass diese stets eine beispielhafte “humility” an den Tag legten, wo immer sie aufträten.

Da mein Englisch oder damals eher Amerikanisch längst völlig flüssig war, dachte nicht nur ich, dass ich etwas Sinnvolles sage, sondern auch der ganze Rest der Indianervollversammlung ging fest davon aus, dass ich wisse, was ich da vorbrächte.

Versteinerte Gesichter, religiöses Schweigen.

Mir wurde gleich klar, dass ich irgendwie eine Art Commentverstoß begangen haben müsse, da die Reaktion so anders war als sonst, konnte mir den Grund aber nicht im Geringsten erklären, denn ich hatte aus meiner Sicht nach bestem Wissen und Gewissen ein Sprüchlein von mir gegeben, das dem erwarteten und üblichen Gesülze doch völlig entsprochen haben müsse.

Als ich später herausbekam, was ich da eigentlich gesagt hatte, überlegte ich nur kurz, ob ich mich dafür bei allen ob lexematischer Schwäche entschuldigen solle, verwarf den Gedanken indes sehr schnell.

Ich hatte die Christen zu sehr beschämt, um dass ich ihnen zu allem Unglück auch noch hätte erklären können, dass dies ganz unbedarft und völlig aus Versehen geschehen sei.

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Eine Antwort zu “Versehentlich alle verarscht”

  1. Pevater sagt:

    Hallo, ich kann Deine Erfahrung gut nachvollziehen, besonders, wenn man sich von Anfang an als Aussenseiter sieht. Deine Erfahrungen mit dem militärischen “Drill”: In Amerika wird dieser “Drill” überall so durchgeführt (Fahnenappell, Nationalhymne singen mit der Hand am Herzen etc) Wir sind inzwischen davon geheilt (hoffentlich). Aber auch im europäischen Ausland ist das Nationalbewustsein viel ausgeprägter als in Deutschland.

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