Der Mann mit dem Frettchen

Heute Nacht habe ich nicht von einem verirrten jungen Mann geträumt sondern von einem mittleren Alters.

Das war ein sonderbarer Kauz.

Er behauptete immerzu, man habe ihm sein geliebtes Frettchen vergiftet, hatte es gar obduzieren lassen, und natürlich fand man nichts, außer dass das Frettchen von etwas schwächlicher Konstitution gewesen war.

Da er die Erklärung nicht gelten lassen wollte und ich ihn fragte, ob es nicht an der Zeit sei, Ruhe zu geben, rückte er damit heraus, man habe sein Frettchen überdies magisch angegriffen, um eigentlich ihn zu Fall zu bringen.

Ich fragte ihn so ruhig, wie ich’s vermochte, weshalb denn jemand so etwas tun sollte, und er entgegnete sofort: “Weil sie wissen, dass ich sie zu Fall bringen könnte!”

“Wer sind denn ‘sie’?”, versetzte ich. “Und wer sollte eine solche Macht ausüben können?”

Er lächelte. “Persönlich kenne ich sie noch nicht, aber ich weiß, wer sie sind. Sie sind die einzigen auf der Welt, die vor mir Angst haben müssen. Und sie können so etwas, wenn man nicht aufpasst, und ich habe nicht gut genug aufgepasst.”

Mir wurde schier ein wenig schwindelig, und ich entgegnete: “Nun gut, aber weshalb sollten so mächtige Leute ausgerechnet vor Ihnen Angst haben, gäbe es sie denn?”

“Wieso? Leute mit einer solchen Macht haben vor denen Angst, die…lassen Sie mich es so fassen: Sie werden morgen oder eines Tages lesen müssen, was ich sage. Ihr Abgrund liegt darin, dass sie nicht mehr richtig lesen können, und sie wissen das.”

Es kam mir immer durchgeknallter vor. Aber der Mann schien ansonsten bei sich und war freundlich, und außerdem konnte ich, wie dies in Träumen vorkommt, dem Gespräch nicht einfach entrinnen.

“Was können diese Leute nicht mehr richtig lesen, die Bibel etwa?”, bellte ich aufgebracht.

“Neinnein, das können die schon, aber mich können sie nicht richtig lesen. Alte Bücher sind denen gleich. Es geht ihnen nur um die Menschen, die sie jetzt nicht richtig lesen können und vor denen sie deshalb Angst haben. Sie halten sich für die vollkommenen Meister.”

Plötzlich erinnerte ich mich, dass ich meine Straßenbahn noch bekommen musste, um rechtzeitig bei der Arbeit zu sein, und der merkwürdige Fremde war verschwunden.

Als ich aufwachte, dachte ich im ersten Augenblick, dass ich das Gespräch mit diesem Sonderling gerne noch fortgesetzt hätte, um ihm wenigstens noch zu sagen, dass er einfach nicht alle auf dem Christbaum habe, und dann ärgerte ich mich auch noch über mich selbst ob des blödsinnigen Wunsches.

Jetzt werden Sie sich mit einigem Recht fragen, weshalb ich so einen Traum hier zum besten gebe.

Ich weiß die Antwort auch noch nicht genau, habe aber eine Ahnung.

Außerdem macht es sonst keiner.

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