Der Kapitalismus ist eine arme Sau. Fast alle prügeln derzeit auf ihn ein, obwohl er doch grundgut ist. Nur weil einige ihn nicht richtig verstanden haben, wird er zum Sündenschweinsbock gemacht. Dabei kann er überhaupt nichts für die ganze Misere: Er sieht Menschen schlichtweg als Vieh, mithin als das, was sie sind.
Ihn jetzt für seinen Realismus abzustrafen, bedeutet in der Tat die pure Gemeinheit. Edel, hilfreich und gut, wie sein Charakter dem Menschen stets zu Höherem leiten will, wird er nun geradezu verfehmt von all jenen, die seine unbegrenzte Freigiebigkeit aus kleinen, persönlich-grindigen Gründen schlicht nicht begreifen wollen. Mit jedem Berggorilla, Koala, jedem Eisbären zeigen die Leute dieses Mitgefühl, nur nicht mit ihm als bedrohte Art, die allein für Juden, Christen, Moslems, Chinesen und weiß der Himmel noch wen stets segensreich wirkte.
Der Kapitalismus allein ermöglicht uns, dass wir Politiker wählen dürfen, wie auch unsere Arbeitsplätze; und den Kaffee spendiert er uns beinahe als Dreingabe dazu. Ohne ihn hausten wir in Höhlen; ohne seine gerechten Kriege schwängen wir krude Keulen. Also muss der Kapitalismus unter allen Umständen vor den Menschen gerettet werden. Überall dringt der Mensch gnadenlos vor und bedroht ihn, ausgerechnet jetzt, da er unsere einzig mögliche Rettung bedeutet.
Er lehrt: “Geld aus dem Geld verleiht uns das Geld” – damit die eine wahrhaft transzendente, übergöttliche Wahrheit.
Früher stand auf Gotteslästerung der Tod. Heute führt Kapitalismuslästerung noch nicht einmal zu Kerkerhaft, und dies, wo doch Götter seit je nur dazu da waren, IHM zu dienen!
Ich durfte mit dem Kapitalismus über seine missliche Lage sprechen; er gab sich überaus besorgt. Er meinte, dass die Menschen, wenn sie nicht einmal mehr ans Geld glaubten, gänzlich gottlos ihrem Untergang entgegen gingen. Selbst der beste Burgunder schmecke, wenn nicht verzinst, gleich der Abseihbrühe eines Hundsabtritts; geschmorte Hirschkeule gleiche ohne leistungslosen Mehrwert eines Dritten dem Bein einer verfaulten Wüstenratte. Ich zitiere hier nur zwei der mildesten Vergleiche, die ER zum Besten gab.
Darüberhinaus ereiferte er sich, ohne Banken gäbe es so gut wie keinerlei aufwendige moderne Architektur; und kaum ein Spielmann wäre ohnehin mehr zu sehen und zu hören. Kultur ohne Ihn, Er weiter, sei schlicht undenkbar. Welche Frau hielte sich denn noch anständig geputzt und in anziehender Ordnung, wüsste sie sich nicht des leistungslosen Mehrwerts wenigstens potentiell teilhaftig? Welcher Bach flösse noch fröhlich seiner Mühle zu?
Seine Tristesse hat mich also betrübt, dass ich mich ihm erbot, diesen Hilferuf kostenlos zu schreiben, allein um der Sache der Willen. Und man stelle sich vor: Er lehnte ab! Er war sich zu stolz, meine bescheidenen Dienste umsonst anzunehmen! Er bot mir ein tausenstel Trillionstel seiner künftigen Sekundeneinkünfte, rettete ich ihn vor der irregewordenen Meute Menschen.
In solcher Lage noch Boni in Aussicht zu stellen, das zeugt von wahrer Größe.
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Tags: Geld, Gotteslästerung, Kapitalismus