Vom Vergammeltsten und der Göttin

Die Geschichte ist wahrscheinlich wahr, doch ist das bei dieser Art Geschichten ohne Belang. Weshalb H. sie mir auch schon zweimal – oder war es dreimal? – erzählt hat.

R. hatte wie H. und die anderen Gammelstudenten eine Bude mit gemeinsamem Scheißhaus am Flur, und R. war mit weitem Abstand der Vergammeltste von allen.

Mehr als noch eine halbe Büchse Ölsardinen hatte er kaum je in der Hütte, und wenn er die Tür öffnete, war es normal, dass er in einer abgespeckten, anverseichten alten Unterhose dastand.

Eines Tages nun ging H. hin, den R. etwas zu fragen, und der stund in der ältesten aller abgespeckten und anverseichten Unterhosen dorten, ein Ei hung seitlich raus, doch – potzblitz! – hinter ihm, lächelnd, gewahrte H. eine klassische Schönheit, superknackert, mit schulterlangen, kastanienbraunen Haaren, also, dass er kaum noch wusste, wessenthalben er gekommen und geklopft.

Es dauerte, bis er sich von diesem Schock einigermaßen erholt hatte. Er ging schließlich, unter einem Vorwande, nochmals hin, einen weiteren Blick zu erhaschen, vielleicht auch mehr, immerhin auszuforschen, ob R. tatsächlich etwas mit jener Göttin habe.

Allein, die Numinose ward nie wieder gesehen, und H. und der Rest vom Flur fanden nie Genaueres über sie und ihr Verhältnis zu R. heraus.

Solcherlei Traumata sind es, die junge Männer in Trunk und Studienabbruch, in die Fliegenpilze und bis hinters Bilsenkraut treiben.

“Wozu ziehe ich mir eine Hose über die halbwegs frische Unterhose und dusche fast einmal in der Woche? Wieso bringe ich jeden Monat die Alkflaschen weg? Was soll dieses sinnlose Leben?”

Sehr vernünftige Fragen, wenn all diese sortierte Mühe lediglich dahinführt, dass man einen R. noch im Schlafe um seine Kastanienbraune beneiden darf.

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